(22.03.2018, 09:57)leopold schrieb: Mir geht es mit den Religionen wie mit den Supermächten USA und Russland, ich halte lieber Distanz, da ich mir von zu großer Nähe nichts Gutes erwarte. Wir leben in Deutschland in einem säkularen Staat und das sollte so bleiben. Religion ist allein Privatsache.
Ich habe es anderswo schon geschrieben: Islamischen Terrismus gibt es erst seit den 90er Jahren. Die Ursachen liegen im zu lange schwärenden Israelkonflikt, in der Nahostpolitik der USA (Unterstützung despotischer Regimes zur Sicherung der Ölversorgung), im Einmarsch der Russen in Afghanistan, in den Irakkriegen der USA und zuletzt in der Destabilisierung der südlichen Mittelmeerstaaten. Jahrzehntelange Unterdrückung und militärische Interventionen haben zur Entstehung von diversen Terrorgruppierungen geführt, die sich zunächst nur gegen die örtlichen Machthaber, gegen den "Teufel" USA und mit der Zeit gegen den Westen allgemein und seinen Lebenstil gewandt haben.
Diesen Prozess konnten wir über 20 Jahre lang mit einem wohligen Schauern aus der Distanz beobachten und es ist doch wirklich nicht verwunderlich, dass dessen Auswirkungen irgendwann bei uns ankommen mussten, oder?
Alles fast recht und fast schön.
Aber keine Antworten auf meine Fragen.
Warum?
Es gibt ja einen regelrechten Gelehrtenstreit über die wahren und echten Ursachen des Islamismus und islamistischen Terror.
Natürlich zum einen die von Ihnen genannten Gründe, aber auch noch weiter zurückliegende.
Wie die neue und selbstherrliche geopolitische Kartografie des nahen Ostens nach dem 1.Weltkrieg und die Macht- und Einflusssphärenverteilung nach dem 2. WK. und die daraus resultierenden Kriege um Vorherrschaft und Erdöl.
Zum anderen die Gründung der Muslimbrüderschaft in den 20er Jahren des 20. Jh.s., deren ziel nicht nur der Kampf gegen die britische Bevormundung und gegen den Säkularismus der westlichen Welt war, sondern damit eng verbunden die Stärkung des Islam und die Verbreitung der islamischen Moral und Lebensweise.
Die Muslimbrüderschaft ist in allen arabischen Ländern aktiv, so z.B. auch in Gestalt der Hamas.
Und außerdem gibt es natürlich die religiöse Motivation.
Interessant dazu der Artikel
Töten im Namen Gottes in der FAZ vom 29.03.2016
So sagt der
französische Politikwissenschaftler Olivier Roy, dass meisten Täter Angehörige der zweiten Generation von Einwanderern oder aber Konvertiten aus europäischen Familien der Mittel- oder Unterschichten seien und oft eine Karriere als Drogenhändler und Kleinkriminelle hinter sich hätten, also Loser-Typen seien, die in Kindheit und Jugend besonders fromm gewesen seien oder sie Kontakte zu irgendeiner Moschee gehabt hätten. "Aber die religiöse Sprache diene diesen zumeist gescheiterten, aus der Bahn geworfenen, von Frustration über ihr Lebensunglück und Hass auf die Gesellschaft geprägten jungen Menschen nur dazu, endlich ihrem Leben einen Sinn geben zu können."
Der französische Sozialwissenschaftler Gilles Keppel widerspricht diesem in seinen Augen einseitigen Erklärungsversuch und betont die wichtige Rolle der Religion, die sich nicht nur wie bei Roy auf religiöse Sprache und Symbolik beschränkt.
Zitat:Vor allem der französische Sozialwissenschaftler Gilles Kepel hat immer wieder, zuletzt 2015 in „Terreur dans l’Hexagone“, die hohe Bedeutung genuin religiöser Motive für die Terrorattacken europäischer Muslime betont. Natürlich weiß er um sozialstrukturelle Prägekräfte wie die elementare Exklusion, die junge französische Muslime in der Banlieue der großen Städte fortwährend erlitten. Aber die hier bei vielen Jugendlichen vorherrschenden Gefühle von Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt, Benachteiligung in den Bildungsinstitutionen und Missachtung durch die Mehrheitsgesellschaft würden primär religiös artikuliert und schafften so eine gegen den laizistischen Staat gerichtete kollektive Glaubensidentität der Muslime, die die „Werte“ der Republik mit ihren Versprechen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nur als blanken Hohn empfinden könnten.
Dieser Meinung bin ich allerdings auch.