22.03.2020, 18:37
(22.03.2020, 17:24)leopold schrieb: Ich habe mich gerade mit meiner Frau darüber unterhalten und wir sind beide darüber verwundert, dass es angeblich so viele Kleinunternehmer geben soll, die angeblich keinerlei finanzielle Reserven haben. Ich frage mich, was das für unternehmerische Aktivitäten sein sollen, die keinerlei Reserven erlauben. Vielleicht kann Klartexter dazu etwas sagen.
Das kann ich, leopold. Nehmen Sie einfach mal die Leute, welche Kleidung, Bücher oder ähnliche Dinge verkaufen. Deren Geschäfte müssen ja jetzt geschlossen bleiben, also fehlt der Umsatz. Die Kosten für Miete, Telefon, Strom laufen aber weiter, Vermieter von Gewerbeimmobilien sind in der Regel auch nicht besonders entgegenkommend, wenn es um Stundung der Miete geht oder gar eine Herabsetzung der Miete. Selbst ein kleiner Laden in einer halbwegs guten Lage kostet schnell mal einen Tausender oder mehr. Hinzu kommt, dass man ja auch entsprechende Wareneinkäufe machen muss, um ein entsprechendes Angebot zu bieten. Die Lieferanten wollen aber auch das Geld innerhalb einer relativ kurzen Frist sehen. Gerade bei der Bekleidung steht jetzt die Frühjahrskollektion ins Haus, die ja in der Regel schon da ist und daher bezahlt werden muss. Solange das Geschäft auf ist kann man über den Umsatz auch das Geld aufbringen, aber das geht nun nicht mehr.
Oder nehmen Sie Marktkaufleute und Schausteller. Nach dem Weihnachtsgeschäft kann man in der Regel erst im März die ersten Feste und Märkte beschicken. Schausteller müssen dazu ihre Geschäfte vom TÜV abnehmen lassen, was nicht gerade billig ist. Für die Plätze selbst muss man schon lange vor dem Beginn der Veranstaltung die Platzmieten an die jeweilige Kommune überweisen, die Kosten für Fahrzeuge, Lagerhallen und Abstellplätze laufen auch im Winter weiter. Auch wenn das Weihnachtsgeschäft gut war, so ist doch irgendwann das Geld daraus verbraucht. Schausteller haben zudem ja in der Regel auch Personal, das auch bezahlt sein will. Und nun fallen alle Veranstaltungen aus, was für viele Kollegen das wirtschaftliche Aus bedeutet. Denn nur sehr wenige Leute machen auf Märkten und Festen wirklich ein gutes Geschäft, das auch Rücklagen erlaubt.
Als ich noch auf der Dult vertreten war, hatte ich vorab ein Platzgeld von 200 Euro zu zahlen, hinzu kam der Werbebeitrag von 150 Euro. Der Stromanschluss kostete mich weitere 130 Euro, die Leihwägen nochmal 200 Euro. Das sind fast 700 Euro für einen Platz von vier Metern Frontlänge. Die Dult dauert im Frühjahr 16 Tage, aber nennenswerte Umsätze macht man an maximal vier Tagen. Unter der Woche hat man viel Zeit für Plaudereien mit Kollegen, denn man hat zwar sehr viele Sehleute, aber ganz wenige Kaufleute. Wenn ich nicht hier in Augsburg zuhause wäre, dann hätte ich die Dult nicht mehr gemacht. Denn wenn dann bei Auswärtigen auch noch die Kosten der Übernachtung dazu kommen sieht es zappenduster aus. Bei mir gab es schon Dulten, bei denen ich nicht mal die Kosten erwirtschaften konnte, weil das Wetter die ganze Zeit bescheiden war.
Sehen Sie, leopold, Sie bekommen am Ersten stets einen bestimmten Betrag auf Ihr Konto, egal ob es regnet oder die Sonne scheint. Ein Selbstständiger hat diese regelmäßigen Einkünfte nicht. Der darf seine Einkommensteuer schon im voraus entrichten, muss zusehen, dass er seine offenen Rechnungen bei Lieferanten begleicht, ebenso die Kosten für Versicherungen, Miete, Strom, Telefon. Ein Monat ist schnell rum, wenn dann das Wetter nicht mitspielt, dann ist das für jeden Handel schlecht, weil die Leute dann zuhause bleiben. Dann kommen natürlich auch die Ferienzeiten dazu, wo das Geschäft auch eher ruhig ist. Deshalb wundert es mich in keiner Weise, dass durch Corona viele Händler vor dem Aus stehen. Denn großartige Rücklagen mögen vielleicht Juweliere schaffen, für normale Selbstständige gibt das Budget da keine großen Summen her!