20.09.2020, 20:25
(20.09.2020, 18:37)harvest schrieb: Man kann es drehen, wie man will.
Fakt ist, dass weder von den wenigen ultra-orthodoxen Juden noch von fundamentalistischen Evangelikalen eine Gefahr für den jeweiligen Staat ausgeht. Und dass deren Frauenbild in "keinster" Weise prägend für die dortige Gesellschaft ist und mit sehr großer Sicherheit nie werden wird.
Dass das nicht so ist, liegt daran, dass sich im europäischen Kulturkreis in den vergangenen Jahrhunderten, gipfelnd im 17. und 18.Jh., eine sehr kritische Haltung gegenüber der Kirche und den mit ihr eng verbundenen monarchisch-absolutistischen Herrschaftsstrukturen entwickelte, was schließlich zum Sturz der letzteren in der französischen Revolution und zur Deklaration der Menschenrechte (wozu natürlich auch die Frauenrechte gehören) führte. Was die Umsetzung der Gleichberechtigung der Frauen im Berufsleben und in der Kirche angeht, so ist sogar in diesem 21. Jh. noch viel zu tun.
Das alles ist jedoch für den größten weitaus größten Teil der islamischen Welt noch nicht mal angedacht ... und daher ergeben alle Relativierungen und alle Konditionalsätze à la "Wenn in Israel mal die Ultra-Orthodoxen an der Macht beteiligt wären ..." keinen Sinn. Es sei denn, sie dienen einem politischen Zweck.
Doch an rückwärts gewandte fundamentalistische Religionen und autokratische Herrschaftssysteme bzw. an deren innige Verschmelzung sollte man keine Zugeständnisse machen, was meiner Ansicht nach nichts mit Mangel an Toleranz und an humanistischen Idealen zu tun hat. Im Gegenteil, man sollte die Werte der europäischen Aufklärung offensiv verteidigen.
Vollkommen richtig. Und da hilft es auch nicht, "Was-wäre-wenn"-Szenarien zu bemühen, mit Prämissen, die sich ohnehin niemals erfüllen werden. Die Minderheit der Kreationisten in den USA haben eine Arche Noah gebaut und belagern gerne Abtreibungskliniken. Mehr auch nicht. Und wenn sie zu renitent werden, gibts von der Polizei einen auf die Mütze. Das gleiche gilt für ultraorthodoxe Juden in Israel. Nachdem sie es eine Zeitlang zu toll trieben, hat die Knesset ihnen das Privileg der Wehrfreiheit gestrichen. Seitdem müssen sie zum Wehrdienst und haben die Botschaft verstanden.
Anders in islamischen Staaten. Da wirkt die Religion gesellschaftsübergreifend regelrecht als Katalysator für die Ablehnung westlicher Werte, die Verfolgung von Andersgläubigen, die Verschmelzung mit dem Staat und der Sharia als Gesetzbuch. Gegen eine solche Entwicklung, die letztendlich unsere Gesellschaft zerstört und alle zivilisatorischen Errungenschaften durch eine 1.400 Jahre alte Gesellschaftsordnung ersetzen will, muss energisch vorgegangen werden. Toleranz kann manchmal tödlich sein.
Martin