Es liegt an allem. Erziehung, Geld, Bildung und Verstand.
Aber gerade beim Verstand bin ich skeptisch.
Früher, und das heißt bevor amerikanischen Eß- und Ernährungsgewohnheiten unser Land flächendeckend überzogen, als in den 50er, 60er, 70er und teilweise auch noch in den 80er Jahren, wurde noch zu Hause gekocht. In alter Tradition. Mit viel und mit wenig Grips. Und um ein schmackhaftes und gesundes Essen auf den Tisch zu bringen, reichte die Erinnerung an die Kochkünste der Mutter und der Großmutter. Es wurde vor allem mittags gekocht, die Kinder, egal ob mit 4 im Kindergarten oder mit 16 in der Schule, kamen zum Essen nach hause, Nachmittagsunterricht war höchstens 1 ein Mal pro Woche. Und selbst viele berufstätigen Männer kamen in der Mittagspause, die meist eine Stunde dauerte, mittags zum Essen heim, man musste nämlich damals meist noch nicht so flexibel sein und 20 km und mehr von Zuhause arbeiten.
Der große Umbruch begann, als immer mehr Frauen berufstätig wurden und für's Kochen keine Zeit mehr war, allenfalls am Wochenende, und das hieß damals oft nur Sonntag.
Das war die Bresche, in die Fast Food und TK-Kost leicht und erfolgreich eindringen konnte.
Aber das weiß jeder von den nicht mehr ganz Jungen selbst.
Mittlerweile hat sich das Gesundheitsbewusstsein extrem verändert, und zwar umfassend. Essen selbst herstellen will kaum einer mehr, und wenn doch, dann gilt es als Hobby, speziell auch von Männern.
Es stellt sich nämlich die prinzipielle Frage, wofür man sich in der freien Zeit überhaupt Zeit nehmen will.
Es sind nicht nur die ärmeren Schichten, die sich dem Kochen weitgehend verweigern und sich vorwiegend von Fast Food und fertigen TK-Gerichten ernähren.
Es sind auch die betuchten Wohlstandsbürger, die sich häufig viel lieber Zeit für umfassende körperliche Fitness nehmen in Form von Joggen, Marathon-Training (heutzutage obligatorisch auf einer höheren Berufs- oder Verantwortungsebene), Fitnessstudio, Bouldern und was es sonst noch alles gibt. Zeit zum Kochen und dem Einkaufen davor nehmen sich nicht viele. Man kauft bei Basic oder Denns, greift aber mindestens genauso gern zu gehobenem Convenience Food, gerne auch bio, oder lässt sich mit Kochboxen beliefern, die man sogar schon bei Lidl bestellen kann. Alles, was man zu einem bestimmten Gericht braucht, wird geliefert, inklusive Rezeptvorschläge. Oder geht einfach essen. Am späten Vormittag zum Brunch, abends ins Resto. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Zusammenfassend will ich sagen, dass gesunde Ernährung ohne tiefergehendes Interesse für's Kochen und die dafür verwendeten Produkte nur eingeschränkt möglich ist. Siehe auch die Ausführungen von BB.
Dazu ist auch keine halbwissenschaftliche Ausbildung oder gar überdurchschnittliche Intelligenz notwendig. Sondern nur Erfahrung, Interesse und gesunder Menschenverstand. Das Gefühl für gesundes Essen muss sich entwickeln, aus einem selbst kommen und sollte nicht an Nährwerttabellen festgemacht werden. Gut, drauf schauen kann man schon mal, aber wenn ich manchmal sehe, wie manche Menschen in den Lebensmittelmärkten bei jedem Produkt nach dem "100 Gramm dieses Produkt enthalten durchschnittlich"-Feld suchen, muss ich immer grinsen ...