(22.04.2021, 13:56)harvest schrieb: Dass du das nicht realistischer siehst, so wie es sich schon dutzende Male abgespielt, speziell bei kommunalen und staatlich geförderten Bauvorhaben.
Schritt 1: Zunächst rechnen der Bauherr, die beauftragten Architekten und die Baufirmen die Kosten runter.
Schritt 2: Nach ein paar Jahren merkt man, dass man sich als Bauherr finanziell völlig überhoben hat und bittet den Staat um Übernahme der Mehrkosten, was der - zähneknirschend - mehr oder weniger auch tut.
Schritt 3: Nachdem das aber auch nicht der erhoffte Befreiungsschlag ist, weil die Kosten trotzdem weitersteigen und dann noch eine Pandemie dazukommt, merkt man endlich, dass das Leben kein Ponyhof ist, zumindest nicht über 10, 15 oder 20 Jahre hinaus als solcher planbar. Und dann greift man zum altbekannten Totschlagargument - weil man will ja weder das Gesicht noch das leichtfertig hinausgeworfene Geld ganz und gar verlieren:
Nämlich ... und jetzt bist du an der Reihe
PS: Und wieder mal wird ein Projekt, das man mit schöngerechneten Zahlen, verschwiegenen Risiken und unter Voraussetzung optimaler Umstände vorgestellt und durch einen Stadtrat beschlossen hat, als "demokratisch" verkauft.
Von Dir habe ich eigentlich schon mehr Hintergrundwissen erwartet. Denn Projekte der öffentlichen Hand lassen sich nun mal nicht mit dem Vorgehen eines privaten Bauherren vergleichen. Wenn du privat etwas bauen willst, dann gehst Du zu einem Architekten, der Dir einen Bauplan erstellt. Der vermittelt Dir vielleicht auch gleich ein Bauunternehmen, welches die Pläne in die Tat umsetzt. Der Architekt sagt Dir, was er für seinen Plan verlangt, die Baufirma nennt Dir den Preis für die Umsetzung des Bauplanes. Aber schon hier wirst Du darauf hingewiesen, dass unter Umständen Regiearbeiten anfallen können, welche separat erhoben werden. Wenn Du Glück hast, dann wird Dein Projekt in der vorgesehenen Zeit zu den vorgesehenen Kosten fertig.
Wenn eine Stadt etwas ändern oder bauen will, dann kannst Du das Modell Privatmann vergessen. Denn zuerst muss in den zuständigen Gremien erst einmal abgeklärt werden, ob diese grundsätzlich mit einem Projekt einverstanden wären. Denn der Bürgermeister kann nicht aus eigenen Gnaden neue Projekte in Planung geben. Wenn die Gremien grundsätzliches Interesse an einem Projekt haben, dann werden entweder städtische oder auch private Planungsbüros beauftragt, eine Kostenanalyse zu erstellen. Darin wird immer von den Beträgen ausgegangen, welche man aufwenden müsste, wenn das Projekt schon am Start wäre. Natürlich wird da auch ein Kostenpuffer mit einberechnet, wenn die Studie fertig ist.
So, nun hat die Stadt eine Kostenschätzung vorliegen und kann das Projekt dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen. Im günstigsten Fall stimmt der Stadtrat sofort zu, in der Regel sind aber für solche großen Projekte mehrere Stadtratsitzungen erforderlich. Hat sich der Stadtrat dann irgend wann einmal entschieden, dann kommt das Projekt in das Planfeststellungsverfahren. In der Regel dauert das ein bis zwei Jahre, sollten Klagen gegen das Projekt hinzukommen, dann können es auch ein paar Jahre mehr werden. Bestes Beispiel ist die Mobilitätsdrehscheibe, die in 2013 fertig gestellt sein sollte, und beginnend mit Schafitels Bürgerbegehren den Bau um Jahre verzögerte und die Kosten explodieren ließ. Fertig ist sie bis heute nicht!
Wenn dann endlich Baurecht besteht, dann kann die Stadt auch nicht einfach einen örtlichen Bauunternehmer beauftragen, sondern sie muss die Arbeiten europaweit ausschreiben. Nur werden in einer Ausschreibung nie fest verbindliche Preise genannt, weil die Firma sonst maximal 10% mehr verlangen dürfte, falls sich beim Bau unvorhersehbare Probleme ergeben sollten. Das selbe gilt auch für die Baumaterialien, auch die müssen ausgeschrieben werden. Wenn dann irgend wann auch hier die Ausschreibungen abgearbeitet sind, dann kann mit dem bauen begonnen werden. Zwischen der ersten Kostenanalyse und dem tatsächlichen Baubeginn liegen dann meist 5 bis 8 Jahre, in denen die Preise ja auch nach oben gingen. Wenn sich dann ein Projekt über Jahre hinweg erstreckt wie Theater oder MDA, dann bleibt es nicht aus, dass sich solche Projekte erheblich verteuern. Schau Dir nur mal die
Explosion der Preise für Holz in den letzten Jahren an, ähnliches gilt auch für andere Baumaterialien.
Nein, harvest, schöngerechnet wird nichts, auch wenn es so aussieht. Das Problem bei öffentlichen Bauvorhaben liegt zum einen darin, dass nicht nur eine Person entscheiden kann, was wie gemacht wird. Gesetze und Verordnungen sind letztlich diejenigen, welche für die Preisexplosionen verantwortlich zeichnen. Die Prügel bekommen dafür Bürgermeister und Stadträte.....