28.04.2020, 10:26
(28.04.2020, 08:09)Martin schrieb: Der Jurist Thomas Fischer kann offenbar auch COVID. Lesenswert.
Martin
Ein extrem tabubehaftetes Thema ist natürlich auch der Schaden, ja die "Traumatisierung", der Kindern durch die Einschränkungen zugefügt wird.
Keine Kita, d.h. keine Treffen mit Spielkameraden. Die Eltern bzw. die Mütter oder Väter stehen in der Pflicht, ihren Nachwuchs zu beschäftigen und bespaßen, zu unterhalten, zu unterweisen und gegebenenfalls beim Homeschooling zu unterstützen.
Dazu sollte mal gesagt werden, dass Kinder erst ab etwa drei Jahren wirklich mit anderen Kinder sinnvoll und sozial spielen können. Vorher sind sie sehr auf die Eltern bzw. Erwachsenen fixiert, die sie "bespielen", beschäftigen oder schlicht beim Schlaf beaufsichtigen.
Frühkindliche Traumatisierungen wegen Corona-Beschränkungen sind also wohl eine Art von urban legends und ergreifende Geschichten von nicht stattfinden durftenden Kindergeburtstagen könnten ebenso gut erfunden oder zumindest stark übertrieben sein. Siehe den heutigen herzerweichenden Leitartikel "Lasst die Kinder endlich raus!" in der AA von Lea Thieß mit der reißerischen Zwischenüberschrift "Eltern wollen nicht Gefängniswärter sein".
Aber was ist, wenn dann ein Kind in der Kita infiziert wird und die ganzen Kitakinder mit Familie in Quarantäne müssten?
Was würden die geneigten KommentatorInnen dann schreiben?
An wen richten die Eltern dann ihre Vorwürfe?
Das grundlegende Problem für viele Eltern und Alleinerziehende könnte sein, dass sie mit ihren Kindern über den Zeitraum eines Wochenendes hinaus nichts anzufangen wissen.
Wie beschäftigt man Kinder? Wie verbringt man mit ihnen zusammen den ganzen Tag, sinnvoll und unterhaltsam für Kind und Vater/Mutter? Warum langweilen sich die Kinder? Warum funktioniert das nicht wie geschmiert? Warum ist das Kind so fordernd und anspruchsvoll?
Daran gewöhnt, das Kind möglichst früh in der Kita abzugeben, um wieder arbeiten zu können, dann am Nachmittag abzuholen und zu füttern, ein wenig zu spielen und ins Bett zu bringen. Das Kind ist GsD todmüde, man will ja noch Zeit für sich haben. Und dann denkt man sich fürs Wochenende Bespaßungen, ja ausufernde Belohnungen und Verwöhnungen für das Kind bzw. die Kinder aus.
Auch Thomas Fischer schreibt in seiner oben zitierten Kolumne über Kinder, Mütter und "Traumatisierungen":
Zitat:Auch die Kinder-Gegenstrategie erscheint mir noch nicht ganz geklärt. Inzwischen ist es nicht mehr mit Aussicht auf die Gnade des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bestreitbar, dass Frauen (das Wort "Familien" wird hier aus strategischen Gründen vermieden) mit traumatisierungsgeneigten Kindern unter 10 oder dauertraumatisierten Kindern über 10 Jahren eine herausragend hart betroffene Opfergruppe seien, durch Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen in unvorstellbar gleichheitswidriger Weise diskriminiert werden. "Wir sind dabei, diesen Kindern einfach mal fast ein halbes Jahr Bildung und soziale Kontakte zu stehlen", schrieb eine frühere Bundesfamilienministerin am 24.04. in der "SZ". Stimmt natürlich irgendwie, ist aber auch wieder relativ: Von April 1966 bis Juli 1967 hatte unsereins vordem auf Anordnung der Kultusministerkonferenz zwei sogenannte "Kurzschuljahre" zu absolvieren und den Stoff der Klassen 8 und 9 innerhalb von 15 Monaten zu lernen. An Social-Media-Petitionen oder Aufstände wegen Stehlens von Bildungszeit entsinne ich mich nicht, obwohl das Ziel damals nur eine verwaltungstechnische Vereinheitlichung war und nicht Leben und Leidensfreiheit von ein paar Millionen alter weißer Frauen, die sowieso demnächst sterben und für "unsere Wirtschaft" wirklich nicht erforderlich sind, außer vielleicht für die Kreuzfahrt- und die Schmerzcreme-Industrie. Aber vielleicht ist dieser Vergleich verboten?