04.04.2019, 21:03
(04.04.2019, 19:30)leopold schrieb: Wer sich mit den natürlichen Bedürfnissen und den Emotionen dieser Nutztiere (v.a. die intelligenten und sozialen Schweine leiden extrem) und den Verhältnissen, in denen sie leben müssen, nur oberflächlich auseinandersetzt (eine intensivere Auseinandersetzung ist für einen halbwegs sensiblen Menschen kaum auszuhalten), kann eigentlich nur zu diesem Ergebnis kommen.
Das ist natürlich, wenn man grundsätzlich gerne Fleisch isst, sehr schwierig und deswegen setzt der Verdrängungsmechanismus immer wieder sehr schnell ein. Der Normalbürger wird mit dem Leid dieser armen Kreaturen auch selten konfrontiert, es findet ja alles hinter Mauern statt. Nur wenn man mal einen Tiertransporter auf der Straße sieht und den Fehler macht, den Tieren in die Augen zu sehen, gibt's ein paar Wochen lang keine Fleischerzeignisse mehr. Jedenfalls bei mir zu Hause.
Den Begriff "weltanschaulich" kann ich in diesem Zusammenhang schlecht einordnen. Ist das für Sie ein Synonym für "grün"?
Nicht alle Vegetarier sind Grüne, und nicht alle Grüne sind Vegetarier. Also kann es kein Synonym für "grün" sein.
Aber weltanschaulich oder auch ethisch, wie @Sophie es meinte, ist der Vegetarismus dennoch, denn er entstand und verbreitete sich im Europa um die Jahrhundertwende 19./20.Jh.
Nicht verwunderlich, dass er dabei meist Hand in Hand ging mit der ebenfalls aufkommenden Freikörperkultur, die ein naturnahes (und damit auch dem Tier nahes) und von zivilisatorischen Zwängen möglichst befreites Leben anstrebt, mit Respekt für Umwelt und damit auch den menschlichen Körper, einschließlich des eigenen, und auch im Sinne einer Erziehung zu einer gesunden Lebens- und Ernährungsweise.
Im Roman "Imperium" von Christian Kracht verlässt der etwas kauzige Protagonist einer vegetarisch-nudistischen Weltanschauung (der ein reales historisches Vorbild hat) das selbstzerstörerische Europa (Industrialisierung, zerstörte Umwelt, gesellschaftliche Veränderungen und politische Großmachtfantasien bis hin zu den beiden WK'en) und zieht sich auf eine unbesiedelte Insel in der Südsee zurück, übrigens zuerst alleine, um dort dann mit wenigen Gleichgesinnten ein Leben im Sinne seiner Weltanschauung zu verwirklichen. Was als Utopie begann, wird durch persönliche Konflikte und letztlich durch den Ausbruch des 1.WK, der auch die einsame Insel erreicht, zu einer Dystopie.
Und weltanschaulich auch deswegen, weil vegetarische Ernährung bei zwei großen Weltreligionen (Hinduismus, Buddhismus) eine große Bedeutung hat.
Ich habe übrigens schon einiges an schlechter wie guter Tierhaltung gesehen, aber ich muss gestehen, dass mich keine Gewissensbisse plagen, wenn ich mal Lust auf ein gutes Saltimbocca oder Ossobuco verspüre, wobei ich das Kalbfleisch natürlich bei einem wirklich guten Metzger kaufe, was z.B. in Österreich kein Problem ist, sonst halt bio.