27.08.2022, 11:56
(27.08.2022, 11:07)harvest schrieb: Ich würde nicht in die russische Wohnung einziehen, weil mir da als Mieter zu viele Vorschriften und Einschränkungen gemacht würden.
Ich würde ungern, d.h. nur wenn ich keine andere Wahl hätte, in die amerikanische einziehen.
Ich hatte 1974 die Gelegenheit, mit einem Freund acht Wochen in einer wohlhabenden amerikanischen Familie, deren Vater mit meinem Vater befreundet war, zu verbringen. Und zwar auf Long Island. Wir waren dort relativ unabhängig, hatten sogar einen älteren Station Wagon für uns.
Ich will jetzt nicht auf Details eingehen, aber das Fazit nach acht Wochen war:
Sehr interessant, viel gesehen und erlebt, aber vieles im zwischenmenschlichen Bereich war oberflächlich und teilweise ziemlich verlogen.
Leben wollte ich dort nur zur Not. Und regelrecht entsetzt hat mich die Ignoranz und das Desinteresse in Bezug auf Europa, speziell Deutschland, die selbst in "gebildeten" Familien herrschte. Nur einmal in diese acht Wochen hörte und sah ich im TV etwas über Deutschland, und zwar als die deutsche Mannschaft Fußballweltmeister wurde.
Auch die derzeitigen Zustände würden mich abschrecken. Ein zerrissenes Land zwischen Trumpismus und "woker" Wichtigmacherei.
Aber mal anders gesagt:
Ich bin kein Freund Putins, aber ich sehe Russland durchaus als europäisches Kulturland, das uns geographisch viel näher liegt als die USA. Und das bedeutet auch heute noch etwas.
Deswegen sollte man Russland mit Waffen und Worten nicht in Grund und Boden stampfen, denn es wird eine Zeit nach Putin geben. Mir wäre es recht, dass er noch während dieses Krieges gestürzt würde ... aber wer danach kommt, weiß keiner. Das kann in Zeiten eines aus russischer Sicht verbockten Krieges ein totaler Hardliner sein, der Putin noch in den Schatten stellt - oder eine Art neuer Gorbatschow mit einem Hauch Demokratie, aber dann wird es in Russland drunter und drüber gehen, ein Hauen und Stechen zwischen Ultranationalisten, Kommunisten, westlich orientierten, aber nicht immer und unbedingt demokratisch gesinnten Gruppen (siehe Polen, Ungarn ...) usw.
Man sollte den Ball, was die Kriegsbegeisterung und den Russlandhass angeht, einfach etwas flacher halten.
Niemand will Russland in Grund und Boden stampfen, das ist, wenn dann, die ordinäre Sichtweise des russischen Regimes, aber vermutlich auch mehr nach innen gerichtet.
Die Ukraine soll unabhängig unverletzlich bleiben, sich selbst entscheiden dürfen.
Egal ob oder wann er gestürzt wird, da bin ich bei Ihnen, niemand weiß was danach kommt und wie die Russen selbst darauf reagieren würden.
Nur ist der derzeitige Zustand und das Vorgehen schlicht unerträglich und auch bei uns weiß man nicht genau was man bei Wahlen am Ende bekommt.
Im Stillstand geht allerdings auch nichts vorwärts oder ändert sich, ob nun zum Guten oder Schlechteren.
Mal ehrlich, die Ukraine sich vollkommen sich selbst zu überlassen hätte das System in Russland doch nur verfestigt und die Abhängigkeiten bestünden immer noch ohne dass man sich Gedanken darüber macht was sie auf Dauer bedeuten können.