17.07.2017, 17:51
(16.07.2017, 22:39)Maylin schrieb: Ich habe es gefunden - danke.
Ihr Zitat der Übersetzung möchte ich noch kurz ergänzen:
Ihre Übersetzung:
Im Sinne von 'alles hat auch etwas Gutes' ist dieser Aufstand, diese Bewegung letztendlich ein Segen Gottes. Warum ein Segen Gottes? Diese Bewegung ist eine, die als Anlass dazu dienen wird, dass unsere Streitkräfte, die vollkommen rein sein müssen, gesäubert werden.
Meine Übersetzung, die ich mir gerade 10 mal wort-wörtlich angehört habe:
In allem steckt auch etwas Gutes. Der Ausgang des Putsches und die Bewegung dieses Putsches war in dem Sinne eine Gnade Gottes. Warum war sie eine Gnade Gottes? Weil dadurch die Streitkräfte, die vollkommen sauber sein müssten, sauber gemacht wurden.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie Erdogans Worte korrekt übersetzt haben. Wer immer noch daran zweifelt, kann es ja nun anhand der Originalquelle überprüfen (lassen). Der Inhalt des Satzes ist tatsächlich ein etwas anderer, als es in den Medien in den letzten Wochen dargestellt wurde. Ein Beweis für einen von Erdogan gesteuerten Putsch war seine angebliche Aussage übrigens nie, sondern höchstens ein Indiz dafür, dass die türkische Regierung nicht wirklich vom Putsch überrascht wurde und ihn vielleicht sogar bewusst nicht verhindert hat.
Was bleibt, ist allerdings immer noch das von Erdogan in der Putschnacht spontan verwendete Wort von der Gunst Gottes (dem "Gottesgeschenk"): Er hat offensichtlich sofort erfasst, dass er diesen Putsch nutzen kann, um sich seine Todfeinde endgültig vom Hals zu schaffen. Leider nutzt Erdogan ihn für jeden ersichtlich nun auch, um die türkischen Bildungseinrichtungen, Behörden, Gerichte und Medien von allen Andersdenken zu säubern und stattdessen Anhänger seiner Partei unterzubringen. Das Parlament spielt keine Rolle mehr.
All das wurde bereits lange vor dem Putsch vorbereitet, denn lange Listen mit Beschuldigten und entsprechende Aktionspläne lagen bereits am Tag nach dem Putsch vor und wurden sofort umgesetzt. Der Putsch war lediglich der willkommene Anlass loszuschlagen. Die Demokratie in der Türkei ist außer Kraft gesetzt und nichts spricht dafür, dass sich das unter Erdogan wieder ändert. Das können Sie kaum leugnen, oder?
Die SZ bringt die Verhältnisse in der Türkei in einem Kommentar recht gut auf den Punkt:
Zitat:Verloren hat die türkische Demokratie, sie liegt in Scherben. Erdoğan hat das "Gottesgeschenk", wie er den Putschversuch nannte, genutzt, um Zehntausende Kritiker wegzusperren. Über dem Land liegt ein Schleier der Depression, es herrscht ein Klima der Denunziation. Immer mehr Menschen werden zu Verrätern erklärt, sie verschwinden aus Jobs, Universitäten, Medien, sie werden aus der Gesellschaft ausgestoßen.
Nie war es einfacher, einen unliebsamen Konkurrenten oder Nachbarn loszuwerden. Es reicht, ihm nachzusagen, er habe einst ein Buch des Predigers Fethullah Gülen besessen. Das eingezogene Vermögen enteigneter Unternehmer und Privatpersonen füllt - nach offiziellen Angaben - bereits einen Staatsfonds mit zehn Milliarden Euro. Ein gigantischer Raubzug, denn die meisten Menschen, denen man alles nahm, hat bislang kein Gericht verurteilt.
Selbst wenn die Verantwortung von Gülen-Kadern für den Putschversuch zweifelsfrei erwiesen werden sollte, ist eine solche Hexenjagd nicht zu rechtfertigen. Wer einmal einer Gülen-Predigt lauschte, muss noch lange kein Putschist sein. Andernfalls müssten sich große Teile der Erdoğan-Partei selbst in Sack und Asche in eine Gefängniszelle einweisen.
Die Hexenjagd aber ist Programm, die Verbreitung von Furcht und Schrecken soll die eigenen Reihen noch enger schließen. Erdoğan ist offenbar besessen von der Vorstellung, dass jederzeit neue Verschwörer auftauchen könnten, so macht er das ganze Land zur Geisel seiner Angst. Solange das so bleibt, wird die Türkei nicht zur Ruhe kommen, sie wird instabil im Inneren und unberechenbar in ihrer Außenpolitik bleiben.
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Das türkische Volk als Geisel