23.11.2019, 05:20
(23.11.2019, 02:58)Maylin schrieb: Sie verwechseln hier etwas. Es geht um das Zeitfenster in der Türkei. Die Türkische Republik wurde 1923 gegründet. Und von 1919 - 1923 tobte der türkische Unabhängigkeitskrieg. Und damals hatten die Kurden die Chance für einen eigenen Staat. Aber das wurde nichts.
In der ZEIT gibt es dazu einen kleinen Einblick:
So uneinig sind wir uns doch gar nicht. Atatürk konnte das mit der Staatsgründung nur weitgehend ungestört (von anderen Staaten, meine ich damit) durchziehen, weil sich eben zwischen 1918 und 1945 keiner goßartig für die Türkei interessiert hat.
Da steht zwar:
Zitat:Die Siegermächte teilten große Gebiete des Vielvölkerreichs unter sich auf: Frankreich erhielt Syrien einschließlich des Libanons und Kilikien, das die heutigen türkischen Provinzen Adana und Mersin umfasst. Großbritannien übernahm Palästina und den Irak. Istanbul und die Meerengen hatte ursprünglich das zaristische Russland beansprucht, da sie für Moskau von strategischer Bedeutung waren. Aber das neue sowjetische Regime erhob vorerst keine imperialen Ansprüche. Daher sicherten sich die Briten diese strategisch bedeutsamen Orte. Italien wiederum okkupierte Teile von Südwestanatolien. Gemischte alliierte Truppenkontingente aus Griechenland, Italien, Frankreich und Großbritannien besetzten Izmir und sein Hinterland. Im nördlichen Zentralanatolien mit seiner beträchtlichen griechischen Bevölkerung versuchte man, einen griechischen Staat zu gründen, die Republik Pontos, und die Briten begannen, ein unabhängiges Armenien zu schaffen.
Aber die anderen Mächte waren sich untereinander uneinig und keine von ihnen hat ihre Interessen (jedenfalls, so weit es das heutige türkische Staatsgebiet betrifft) wirklich nachdrücklich durchgesetzt oder es auch nur versucht. Natürliich floss Blut, aber dennoch blieben die Versuche halbherzig. Mindestens die Briten und die Russen hätten das nämlich durchaus gekonnt, vielleicht auch die Franzosen. Aber so richtig wichtig war ihnen das allen dann doch nicht, also haben sie es gelassen. Genau das war Atatürks Chance, die er dann auch ergriffen hat.
Und so viel ich sonst auch von ihm halte, der Verrat an den Kurden war natürlich überaus fies und eine bodenlose Gemeinheit. Alles und jeder hat eben mindestens zwei Seiten, auch Kemal Atatürk. (Aber stellen Sie sich mal vor, was am Bosporus jetzt wäre, wenn es Atatürk nicht gegeben hätte. Vermutlich nicht viel oder aber etwas ganz anderes, was kein vernunftbegabter Mensch wollen kann.)
Aber stellen Sie sich mal vor, die Briten oder die Amerikaner hätten damals Interesse an der "Konkursmasse des Osmanischen Reichs" (wie es in dem von Ihnen verlinkten "Zeit"-Artikel so schön heißt) gehabt. Dann hätte sich Atatürk nämlich seine Pläne vom türkischen Nationalstaat abschminken können und die Kurden hätten natürlich jetzt immer noch keinen eigenen Staat.
Also habe wir beide recht, nur betrachten wir auch dieses Thema, wie vorher schon den sogenannten Terrorismus, aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Was ja durchaus erlaubt ist und jedenfalls Anlass zum Diskutieren gibt. Dazu sind Foren wie dieses ja auch da.