(29.07.2022, 20:44)harvest schrieb: Ich glaube, das MP Kretschmann mit Strobl letztlich besser kann als MP Söder mit Aiwanger. Wobei der gar kein Grüner ist.
Liegt vermutlich daran, dass Kretschmann und Strobl beide Pragmatiker sind und nicht eigene Parteiinteressen über alles stellen. Ich erinnere nur an Stuttgart 21, das ja keineswegs von den Grünen gewollt war. Aber als Kretschmann MP wurde, da hat er Ideologie Ideologie sein lassen und sich den Realitäten gestellt. Vor Jahren hat man vor den Grünen in BW gewarnt, weil die keine Autos wollen, und somit eine Gefahr für Daimler und Porsche wären. Auch da hat Kretschmann gezeigt, dass er durchaus Realpolitik machen kann. Kretschmann hat auch keine inszenierten Auftritte a la JU nötig gehabt, um MP zu werden.
Und in Bayern? Viel Selbstdarstellung und viele Versprechungen, aber wenig Taten. Wenn ich lesen muss, dass Herr Söder bereits in 2020 über die Verdoppelung der Kosten bei der zweiten Stammstrecke informiert war, aber nichts dagegen unternommen hat oder den Landtag informiert, dann geht mir der Hut hoch. Für ihn war damals offensichtlich wichtiger, sich als Macher (der er aber gar nicht war) in der Coronakrise darzustellen, wohl in der Hoffnung, dass damit kein Weg an ihm als Kanzlerkandidat vorbei führen würde. Auch in Sachen Energie hat er schlicht und ergreifend alles jenseits von Gas und Atomstrom ausgebremst und verhindert. Und jetzt brennt die Hütte, aber er verlangt von anderen Bundesländern, die bessere Vorsorge getroffen haben, dass diese gefälligst auch Bayern einen größeren Teil der Energie zukommen lassen sollen.
Ich beobachte ja Söder schon mindestens seit 10 Jahren, und lange Jahre habe ich sogar eine gewisse Bewunderung für ihn gehabt, weil er immer klar erkennbar nach oben wollte. Als er dann allerdings CSU-Chef und MP war, da hat die Bewunderung schnell nachgelassen. Keine Aufhebung der H10-Regel, kein Stopp für Dobrindt und Scheuer in Sachen Maut. Den Vogel hat er dann bei Corona abgeschossen, als er sich immer wieder Beschlüsse der MP-Konferenzen zu eigen machte und bereits vor dem verabredeten Termin verkündete, als würden die seiner eigenen Politik entsprungen sein. Das Verhalten hat ihm auch in seiner Schwesterpartei geschadet, weil die anderen MP quasi wie die Deppen da standen. Die Retourkutsche kam dann, als er Kanzlerkandidat werden wollte.
Auch da zeigte er sich als schlechter Verlierer. Restlos verscherzt hat er es sich bei mir nach der letzten Wahl, als er von der Ampel plötzlich Dinge verlangt hat, die seine Partei in 16 Jahren Merkel längst auf den Weg hätte bringen müssen. Und last but not least ist die CSU die Bremse für eine Reform des Wahlrechtes. Weil sie als Regionalpartei durch die gewonnenen Direktmandate mehr Sitze im Bundestag hat, als ihr nach dem Wahlergebnis eigentlich zustehen würden, kommt es zu den berühmten Überhangmandaten. Würde man die Stimmen für CDU und CSU zusammenzählen, dann wäre das Problem nicht mehr da. Denn im Bundestag bilden sie ja auch eine gemeinsame Fraktion, was stände also dagegen, die Stimmen gemeinsam zu verrechnen? Aber da fürchtet Söder einen Machtverlust, lieber hat er einen völlig aufgeblähten und teueren Bundestag.
Mir gefällt vieles an der Ampel auch nicht, mir wäre ein Zweierbündnis auch lieber gewesen, aber das Wahlergebnis ließ eben nur GroKo, Ampel oder Jamaika zu. GroKo hatten wir lang genug, aber die FDP ist bei der Ampel eher hinderlich für gute Politik. Das wäre sie auch bei Jamaika gewesen, aber man wollte ja Ampel. Olaf Scholz ist sicher ein akribischer Arbeiter, aber seine Außendarstellung lässt schwer zu wünschen übrig. Aber ich halte auch nichts von Blendern oder Schaumschlägern, die außer Sprüchen nichts zuwege bringen. Da gibt es leider viel zu viele davon in der deutschen Politik.