24.04.2022, 12:30
(24.04.2022, 09:21)Kreti u. Plethi schrieb: Glauben Sie wirklich, der es hier ja offensichtlich kann, in Russland auch könnten?
In bin ja nicht zu dumm zu behaupten, dass Russland auch nur annähernd eine Demokratie sei. Darum geht es ja auch gar nicht.
Aber das vereinte Geschrei der Grünen (allen voran), der FDP, der SPD (zu größeren Teilen) der CDU/CSU und der Leitmedien (größtenteils, und wie fast immer die grüne Linie) nach schweren Waffen und mehr hat sehr vielen schon das mehr oder weniger pazifistisch gefärbte Gehirn gewaschen. Und wehe, man übt Kritik an dieser plötzlichen Zuneigung zu Waffen und Krieg. Dabei bin ich gar kein Anhänger des absoluten Pazifismus, sondern eines gemäßigten, den Umständen angepassten Pazifismus, aber was von etlichen Regierungsmitgliedern (Grüne, FDP) da so geäußert wird, lässt entweder auf geringe Lebenserfahrung (was soll kalter Krieg sein?) oder auf militaristisches Machogehabe schließen.
Meinungsbildung (oder Propaganda?) von oben. Die Guten und die Bösen. Weiß und Schwarz. Aber diese plumpe Simplifizierung von gesellschaftlich relevanten Themen, Problemen und Konflikten ist ja mittlerweile Usus. Bei Jung und Alt, Weiß und Bunt.
Ganz nebenbei (und das Folgende ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge):
Die Ukraine wird die Russen in diesem Krieg nicht schlagen können, auch nicht mit schweren Waffen. Auch nicht, wenn Lindner es genau weiß.
Es wird soweit kommen, dass es eine Art Stellungskrieg wird. Die Russen werden sich den Donbass und den Südosten der Ukraine (Zugang zum Asowschen Meer) wohl nicht mehr nehmen lassen. Das wird dann der Gegenstand von Verhandlungen und später dann Friedensgesprächen sein.
Zu glauben, die Ukraine wäre jetzt oder dann - wie die forsche, aber nicht besonders kluge Uschi vdL glaubt - reif für die Aufnahme in die EU, könnte sich als großer Irrtum herausstellen.
Zum Einen gibt es in der Ukraine immer noch ein von Netzwerk von Oligarchen (und damit auch Korruption in hohem Maße), das die Politik bestimmt. Auch Selenski wäre ohne die tatkräftige und finanzielle Unterstützung eines Oligarchen nie zum Präsidenten gewählt worden, das hat dort Tradition. Und genauso gut kann er schnell fallen gelassen werden.
Aber das wäre noch das kleinere Problem.
Das andere ist, das dort nicht nur Vertreter der Regierung, sondern auch Mitglieder anderer Parteien, egal welcher Richtung, zuallererst Nationalisten sind, ja zum z.T. ultra-nationalistisch gesinnt (siehe die Vandera-Verehrung). Und dieser (auch antirussische) Nationalismus ist tiefverankert. Dies trifft natürlich auch auf große Teile der Bevölkerung zu.
Der folgende Ausschnitt aus dem Online-Journal "Geschichte der Gegenwart" beschreibt die gegenwärtige Situation meiner Meinung nach nicht falsch, aber etwas zu blauäugig:
Zitat:Es hat sich eine pluralistische Demokratie etabliert, die zwar von Korruption und oligarchischen Interessen mitgeprägt wird, aber dem Land in dreißig Jahren schon sechs verschiedene Präsidenten eingebracht hat. Radikale Nationalisten, die etwa die Erinnerung an die nationalistischen Extremisten der Zwischenkriegszeit rehabilitiert haben und die russische Sprache aus der Öffentlichkeit verdrängen wollen, haben besonders in den intellektuellen Schichten gewissen Zulauf erhalten (und Putin damit Munition für seine Propaganda geliefert). Für eine Mehrheit der Ukrainer:innen steht die nationale Unabhängigkeit heute aber in erster Linie für eine demokratische Entwicklung des Landes und die Öffnung gegenüber Europa nach dem Vorbild der zentraleuropäischen Nachbarländer. Es ist der Wille, dieses Modell weiterzuverfolgen und notfalls mit Gewalt zu verteidigen, der die ukrainische Bevölkerung – inklusive der Russischsprachigen im Süden und Osten – in diesem Krieg eint.
„Anti-Russland“? Die Ukraine als politisches Projekt
Gefettete Passagen deswegen, weil
a) die sechs Präsidenten in 30 Jahren nicht einem demokratischen Wandel, sondern dem Wirken der Oligarchen und ihrer Strohmänner und -frauen zu verdanken sind, und
b) mir die Einheit von Ukrainisch- und Russischsprachigen doch ziemlich konstruiert zu sein scheint, sozusagen der Wunsch als Vater des Gedankens.
Denn dass der ukrainische Nationalismus nach dem Krieg, egal ob mit oder ohne Gebietsverluste, erneut und noch stärker aufflammt, kann erwartet werden. Da wären die polnischen und ungarischen Nationalisten noch handzahm.
Und ob die EU das braucht, ist eigentlich keine Frage.