29.10.2019, 10:31
(29.10.2019, 09:50)leopold schrieb: Ich meine schon, dass wir nach Jahrzehnten relativer politischer Stabilität aktuell in Zeiten leben, in den vieles in Frage gestellt wird, was noch vor kurzer Zeit undenkbar war. Unser Parteiengefüge in Deutschland erodiert ebenso wie das in anderen Ländern Europas, die Rolle der USA in der Welt steht vor einem grundlegenden Wandel, wir wissen nicht, wie der Einfluss Chinas die Welt verändern wird. Dazu kommen der nicht mehr zu leugnende Klimawandel und das Artensterben mit unabsehbaren Konsequenzen für Umwelt und Geopolitik. Und darüber soll man nicht diskutieren? Das kann nur jemand fordern, der mit der Welt und seinem Leben schon abgeschlossen hat.
Man kann aber schon (mit Ausnahme Klimawandel) die Frage stellen, ob sich das nicht gegenseitig aufgeschaukelt hat - also ob die Emotionalisierung, die Umfragerei etc. nicht mit zu diesen Zuständen beigetragen hat.
Nehmen wir mal - nur als Beispiel - weil ich gerade daraufgestoßen bin folgende Headline in der Welt:
Zitat:Deutliche Mehrheit für Ausschluss der Türkei aus der Nato
https://www.welt.de/politik/article20263...-Nato.html
Man suggeriert damit 'dem Volk', es käme in dieser Angelegenheit auf seine Meinung an (eine Meinung, die sich in ebenjenem Volk auch sehr schnell wieder ändern kann), ja es könne gar etwas mitzubestimmen haben.
Tatsächlich erklärt dann der Artikel weiter unten:
Zitat:Ein Ausschluss der Türkei aus der Nato wäre hoch kompliziert und gilt als unrealistisch, da er im Nato-Vertrag von 1949 nicht vorgesehen ist. Deswegen müsste dieser Vertrag erst mit Zustimmung und Ratifizierung aller Mitgliedstaaten geändert werden.
Was soll also diese Umfrage? Sie ist vollkommen zweckfrei. Die Sache ohnehin zu komplex und diffizil als dass vermutlich auch nur einer der Befragten tatsächlich so etwas wie Sachkompetenz aufweisen kann. Man erzeugt nur Stimmung und Klicks. Und im Nachgang, wenn es heißt, dass die NATO die Türkei natürlich nicht rauswirft ein schales Gefühl, weil wieder mal nicht geschieht, was doch (angeblich) eine Mehrheit will.
So hat Politik und Pressearbeit früher nicht stattgefunden.
Ebenso die wöchentliche Umfragerei, wenn am Sonntag Wahl wäre und dergleichen. Ist aber nicht. Und bis dahin fließt noch soviel Wasser Rhein, Main, Donau und Elbe hinunter, dass man unmöglich sagen kann, ob der geneigte Wähler noch dieselben Ansichten hat wie diese Woche.
Der Politik wird verunmöglicht in Ruhe und in den Prozessen, die nötig sind, Vorhaben anzugehen, Gesetze zu machen. Weil man immer schon nach der nächsten Umfrage und der nächsten LTW schielen muss.