(17.10.2019, 18:45)leopold schrieb: Einen Schriftsteller, der als Grabredner von Kriegsverbrechern auftritt, lese ich nicht. Ich kann und will das Werk nicht von der Person trennen.
Es ist immer eine Todsünde, sich gegen den medialen und politischen Zeitgeist zu stellen. Ist ja nichts neues und immer noch gültig.
Man sollte sich ein bisschen über diese jugoslawischen Erbfeindschaften informieren, wenn man ein einigermaßen sachliches Urteil fällen will.
Handkes Mutter war eine Kärtnerin, deren Eltern aus Slowenien stammten, und Slowenen pflegen eine tiefe Feindschschaft gegen Kroaten, aus vielerlei Gründen, auch wegen der Hoheitsrechte in der Bucht von Piran. Man merkt dies, wenn man über die Grenze nach Istrien fährt. Teilweise kilometerlange Staus, äußerst schleppende Abfertigung. Dasselbe gilt umgekehrt. Und da die beiden größten Nationen, die Kroaten und die Serben, ebenfalls eine tiefe Feindschaft pflegen, kann man annehmen, wem die Slowenen mehr zugeneigt sind, schon immer und jetzt auch noch.
Dann noch die Muslime, die in BuH die Mehrheit stellen, auch als Bosniaken bezeichnet, die aber auch im Süden Serbiens vertreten sind (Montenegro, Kosovo, Albanien) und nach dem Zerfall Jugoslawiens auf eine Selbständigkeit hinarbeiteten.
Wie man weiß, endete die alles im Kosovokrieg, in dem die NATO völkerrechtswidrig die damals noch existierende (Rest-)Republik Jugoslawien, sprich Serbien angriff und schwer bombardierte. Als besonderer Anheizer für diesen Krieg fungierte ein deutscher Außenminister namens Josef Fischer.
Etwas detaillierter wird dies in diesem
taz-Artikel dargestellt.
Meine Einschätzung: Am wenigsten bekamen die Slowenen vom Kosovokrieg mit. Die restlichen ethnischen und nationalen Gruppen bekämpften sich bis aufs Messer, überall gab es brutalste Ausschreitungen und Massenmorde, überall fanden ethnische Säuberungen statt, auch im Kosovo gegen die serbische Bevölkerung. Kriegsverbrecher gab es auf allen Seiten, jeder Kommandeur oder Oberbefehlshaber - egal welcher Ethnie - war letztlich ein Kriegsverbrecher.
Dass Handke sich gegen den Mainstream aus NATO-Politik und Medien stellte und sein Wort für Serbien einlegte - z.T. sehr nachsichtig und einseitig, ist wohl nicht allein die Protesthaltung gegen diese Einseitigkeit, sondern auch die Folge seiner Erziehung und Sozialisierung, die aufgrund seiner Mutter mit slowenischen Wurzeln.
Ich finde etliche seiner Romane sehr lesenswert, bei anderen habe ich abgebrochen.
Aber er hat den NP verdient.