(18.01.2019, 11:10)leopold schrieb: Derzeit sind sicher viele Journalisten auf der Suche nach weiteren gefälschten Geschichten, da ein neuer Fall Relotius für großes Aufsehen sorgen würde. Dass bislang nichts Wesentliches dazukam, bestätigt mich in meiner Auffassung, dass wir hier in Deutschland journalistisch recht gut versorgt sind.
Dann verwundert es doch sehr, dass Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Springerverlags und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, größere
Bedenken an einer raschen Aufarbeitung hat (S.27)
Zitat:„Das Problem, dass einstweilen aus dem ,Sturmgeschütz der Demokratie‘ ein ,Luftgewehr der Fantasie‘ geworden ist, das muss der Spiegel lösen. (...) Wenn er das konsequent macht, kann auch der Spiegel sich davon erholen. Wenn nicht, und vor allem wenn die Medienbranche insgesamt zu schnell wegguckt und hier mit zweierlei Maß misst, dann kann das tatsächlich zu einer Zäsur werden. Denn es würde unser höchstes Gut, die Glaubwürdigkeit, untergraben.“ (…)
Neben „die großen Aufgaben, vor denen wir als Branche und Verband ohnehin schon stehen“, müsse nun treten, das System zu hinterfragen. „Wir müssen ablegen, was die Branche lähmt: Selbstzufriedenheit, Besserwisserei, Nachgiebigkeit mit politisch Gleichgesinnten, unfaire Kritik gegenüber jenen, die anders denken als man selbst.“
Unter "Reaktionen auf Relotius" (auf derselben Seite) fasst ein Leser dies gut zusammen:
Zitat:„Da ist die mittlerweile überall aufzufindende Rede von Relotius als Einzeltäter, dessen ,besondere kriminelle Energie‘ zu seinen Fakes führte und vom armen, hinters Licht geführten Spiegel überhaupt nicht entdeckt werden konnte. Zu prüfen wäre, ob es nicht viel plausibler ist, dass man sich gerne hat belügen lassen, weil das die Weltsicht war, die das juste milieu von Regierung, Kirchen, NGOs und Medien pflegen wollte – und nach wie vor pflegen will“
Daran inhaltlich nahtlos anknüpfend ein Artikel aus dem eher linken, aber Magazin "Rubikon" mit dem Titel "Die Ausgegrenzten" von Roberto J. De Lapuente (16.01.2019)
Es geht dabei um die Diskussion um die Kampfparole "Nazis raus", die durch einen Tweed der ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann ausgelöst wurde, aber auch um die öffentliche Debatte um die von den ÖR geforderte Gebührenerhöhung.
Zitat:Gut, wer mag schon Nazis? Andererseits ist es aber so, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Anstalten, dass eben auch die, die ihr mit dem Label „Nazis“ abtut, Rundfunkbeitrag bezahlen. Viele Leute ticken in Fragen wie Zuwanderung und nationale Grenzen eben etwas anders als der liberale Mainstream. Sie alle einfach als Hitler-Nachfolger zu beschimpfen und aus dem Blickfeld entfernen zu wollen, greift zu kurz (…)
Der Hashtag #nazisraus wurde in den folgenden Tagen zum Tweet der Anständigen, Zehntausende Follower wiederholten die zwei Worte in Tweets und Posts. Auch prominente Anständige waren mit von der Partie. Ralf Stegner und Heiko Maas zum Beispiel (…) Die Tagesschau und das Deutschlandradio solidarisierten sich ebenso mit der Angestellten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (…)
Die Leute im Land wissen wahrscheinlich schon ziemlich genau, wer gemeint sein könnte, wenn heute jemand Nazis zum Teufel jagt. Sicher nicht Himmler und Göring. Und auch nicht den verstorbenen SS-Opa. Es sind diejenigen, die man sich in der öffentlichen Wahrnehmung, eben ganz explizit auch bei ARD und ZDF (…) als deren Nachfolger ins rechte Licht gerückt hat. Und die man nicht mit journalistischem Abstand behandelt, sondern mit parteiischen Kampagnen beglückt (…)
Wenn ein FAZ-Journalist etwas schreibt, das man für unhaltbar und unerträglich hält, kündigt man das Abo – das ZDF ist jedoch unkündbar.
Einen angemessenen Ton von Leuten, die sich öffentlich aushalten lassen: Das vermissen viele Menschen im Lande. Und zwar in allen politischen Lagern. Wenn sie schon die eigentlich gute Idee der Gebührenfinanzierung tragen sollen, dann möchten sie wenigstens das Gefühl haben, dass der dortige Journalismus keine Befindlichkeitsshow ist, in der Journalisten nicht mehr die Wirklichkeit abbilden, sondern Pädagogen mimen möchten.
Schön gesagt.
Und was an Hetze gegen die "allgegenwärtigen" Nazis in der öffentlichen medialen Diskussion abläuft, kann man natürlich auch - viel übersichtlicher - im Mikrokosmos des Forums verfolgen.
Es scheint jedoch, dass auch immer mehr Linken die öffentlich ausgerufene Hetze auf die Nazis suspekt wird.
Und dass sich wohl im deutschen Journalismus und bei den ÖR Grundlegendes ändern muss, nämlich weg vom Befindlichkeits- und Haltungsjournalismus und zurück zu einem moralinfreien und - so gut wie möglich - objektiven Journalismus, der sich in Verantwortung sieht für die gesamte Bevölkerung und nicht bloß für den sogenannten "aufgeklärten" grün-liberalen Mainstream.
Diesen einseitig parteiischen Kurs der großen Mehrheit der Leitmedien und der ÖR kritisiere ich übrigens schon seit gut zwei Jahren. Was natürlich von den "aufgeklärten" Protagonisten des Forums stets als Verschwörungstheorie und rechte Hetze abgetan wurde.