Ja klar. So weit kommt's noch.
Deutschland hat, was die Melodie angeht, eine der schönsten Hvmnen (J. Haydn).
Der Text ist von einem der damals bekanntesten deutschen "Freiheitsdichter" und Vormärz-Anhänger, Hoffmann von Fallersleben, der gegen die restaurative Politik der von Napoleon besiegten und abgesetzten alten Mächte, sprich der absolutistisch-monarchistischen Herrscherhäuser Österreich, Russland und auch Preußen, kämpfte. Er war auch Nationalist, aber insofern, als er sich nach Napoleons Niederlage in der "Völkerschlacht" bei Leipzig für die Schaffung eines bis dahin nicht vorhandenen deutschen Nationalstaates einsetzte, eines liberalen und republikanischen.
Die berüchtigte, von den Nazis missbrauchte erste Strophe lautet:
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!
Er steckt in dieser Strophe den Rahmen, die Grenzen des noch nicht vorhandenen deutschen Nationalstaates ab, auf der Basis der gesprochenen Sprache und der darauf beruhenden Kultur. Also inklusive Ostpreußen und dem heutigen Südtirol.
Und beschwört in den ersten vier Zeilen nicht anderes als den Zusammenhalt und die große Liebe zu diesem fiktiven, angestrebten Deutschland.
Keine Großmachtsträume oder Rassenüberlegenheit.
Ich finde, das sollte man sich als kulturbewusste und auf ihre demokratischen Traditionen stolze Nation nicht nehmen lassen, auch wenn rechte Knallköpfe oder Brandstifter diese erste Strophe immer wieder dementsprechend missbrauchen.
Es reicht, die erste Strophe zu verbieten.
Vergessen braucht man dabei nicht, dass Hoffman v. F. auch einige antijüdische Gedichte und Schriften verfasste. Es soll nicht entschuldigt werden, erklärt sich aber aus der Tatsache, dass viele jüdischen Bankiers, als berühmteste die Rothschilds, eng mit den europäischen Herrscherhäusern verflochten war. Siehe auch den Roman "Jud Süß" von Lion Feuchtwanger (1925), der dies kritisch, aber nicht juden-, sondern systemfeindlich aufgreift. Nicht zu verwechseln mit dem üblen Hetzfilm "Jud Süß" (1940), der mit dem Roman eigentlich nur den Titel und die Hauptpersonen gemeinsam hat.