26.04.2018, 06:22
(25.04.2018, 10:35)Serge schrieb: Ich mache es mir gar nicht einfach.
Richtig, das mit der Wahrheit stimmt.
Aber das ist nicht die Wahrheit:
Oder ist sie das? Sind solche simplizierenden Schlagwörter in Verbindung mit "mitten in der Gesellschaft" die Wahrheit?
Spiele es doch mit jedem dieser Schlagworte durch und urteile, ob das damit bezeichnete Phänomen mitten in der Gesellschaft steht.
Oder ob es sich um plumpe und völlig undifferenzierte Verallgemeinerungen handelt, die nicht oder nur zu einem (kleinen) Teil zutreffen - bitte immer im Zusammenhang mit "mitten in der Gesellschaft" sehen - , und die in diesem Sinne als politische Kampfbegriffe missbraucht werden.
Man muss nicht Rassist, Fremdenhasser oder Ausländerfeind sein, um eine etwas andere und differenziertere Haltung zur von manchen Parteien (oder Teilen davon), NGO's und alternativen Gruppen immer noch geforderten möglichst unbeschränkten Aufnahme von Flüchtlingen, zum unbeschränktem Familiennachzug, zur de facto kaum durchführbaren Abschiebung von Flüchtlingen, zur generösen finanziellen Unterstützung von Asylsuchenden und Asylanten usw. zu haben.
Man muss nur Realist sein.
Man muss auch kein Nationalpatriot sein, wenn man sich dafür einsetzt, dass die in der Vergangenheit erlangten und oft auch erkämpften Freiheiten nicht so einfach in Frage gestellt oder relativiert werden (wie z.B. die Gleichberechtigung der Frau, die säkulare Gesellschaft), oder sich wehrt, dass generell unsere Kultur und Lebensweise als überholt, altmodisch und geschlossen dargestellt wird.
Die Mehrheit der Flüchtlinge haben und akzeptieren ein Welt- und Gesellschaftsbild, das in Gegensatz steht zu unseren demokratischen Werten: eine den Alltag und das gesellschaftliche Leben dominierende Religion (mit dem Anspruch, die allein wahre zu sein - wie ehedem das Christentum), eine strikt patriarchalische Familien- und Gesellschaftsstruktur, ein wenig ausgeprägtes Demokratieverständnis, Nationaldenken gegenüber ihren Nachbarn, Unterdrückung und Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten usw.
Zu meinen, all das würde zu einem wundersamen Zusammenspiel mit unserer Gesellschaft und zu einer wunderbarer Multikulti-Gesellschaft führen, ist in meinen Augen Realitätsverweigerung. Die großen Probleme werden erst noch kommen.
Auf Neonazismus und Rechtsradikalismus im Zusammenhang mit "mitten in der Gesellschaft" möchte ich gar nicht eingehen, das erübrigt sich. Politische Kampfrhetorik.
Und wenn man jetzt so langsam die Katze aus dem Sack lässt und es den Medien überlässt voranzukündigen, dass wir, die Bürger, die Alternative zwischen hundertausendfacher Zuwanderung pro Jahr oder Rente ab 70 habe, so sage ich einfach:
Nein, es gäbe noch andere Alternativen: deutlich höhere Steuern für sehr Reiche (gestaffelt bis 55 % ab 300.000) oder einen "Solidaritätszuschlag Rente", ebenfalls gestaffelt nach Einkommen, meinetwegen begleitet von einer geringfügigen Erhöhung der MW-Steuer.
Denn man sollte sich vor Augen halten, dass die große Mehrheit der Flüchtlinge über etliche Jahre hinaus H4 oder Niedriglohn beziehen werden, und mit den daraus resultierenden spärlichen Rentenbeiträgen wird man die Rente nicht retten können.
Oder man plant ein Einwanderungsgesetz, das eine sehr selektive Auswahl von Fachkräften und hochqualifizierten Berufen ermöglicht.
Ja, danke, das ist differenzierter (oder uneinfacher ).
Das Problem ist, dass Rassismus klar definiert und vergleichweise einfach bei Einstellungen und Einlassungen zu erkennen ist. Dass Rassismus in der Tat (leider) breiter in der Gesellschaft verankert ist als man annehmen möchte - durchaus in deren Mitte. Und dass man diesen benennen und verurteilen muss auch wenn man andere Positionen dieser Rassisten als kritische nachdenkliche Meinungsäußerung schätzt und manche Positionen teilt.
Wie Du weißt bin ich auch extrem gegen das Tragen von Burkas in der Öffentlichkeit. Ich hätte das gerne verboten und halte es für legitim, wenn Frauen die das tun, negative Meinungen dazu zu hören bekommen. Beleidigen sollte man sie nicht, aber man kann an die Stoffwand hin schon sagen, dass man bei uns so nicht auf die Straße geht, dass es unsere Vorstellung von gesellschaftlichen Leben ist, dass man sich ins Gesicht und die Augen sieht und dass sie das bitte respektieren sollen, wenn sie hier leben möchten, andernfalls findet sich gewiss ein Land, in dem sie sich wohler und aufgehobener fühlen kann.
Wenn mir dann allerdings die Wähler der AfD oder noch weiter rechts applaudieren, dann muss ich ihnen sagen: ich habe bis auf diesen Punkt, nichts aber auch gar nichts mit euren Ansichten am Hut. Mir gefällt eure Wortwahl nicht, mir gefällt euer Menschenbild nicht und mich erschreckt euer Hass. Diese drei Punkte verunmöglichen es mir auch, euch ggf. in Punkten zuzustimmen, die sachlich gerechtfertigt sein mögen, denn man kann nicht unterscheiden, ob der sachliche Aspekt das Tragende ist oder ob dieser nur die eigentliche Motivation kaschiert.
Deshalb ist es so schwierig, sich in diesen Diskussionen zu positionieren. Aber ich erwarte schon, dass man rassistische Einstellungen erkennt und benennt und sie dann nicht, weil jemand ansonsten deckungsgleiche Ansichten hat, schönredet. Das fällt dann schon auf einen selbst zurück. (Da meine ich jetzt nicht Dich)
Und ich erwarte von Menschen, die sich als intelligent bezeichnen, dass sie ihre 'Reflexe' oder 'reflexartigen Gefühle' überprüfen. Und nicht weil es in ihrem Bauch halt so grummelt, wenn sie Menschen anderer Rassen und Nationen sehen, diese ablehnen und verurteilen und das für richtig halten, weil es ihr Bauchgefühl doch so meint.
Hannes Wader hat mal gesagt: Im Grunde bin ich Rassist.
Boah. Da bleibt einem zunächst mal die Spucke weg bei so viel Ehrlichkeit. Ja, der Reflex mag da sein. Man kann nichts für ihn, aber es ist ein überprüfbarer und er hält einer Prüfung eben nicht stand.
Es ist richtig und wichtig sich zu hinterfragen und überprüfen. Es geht nicht darum ein guter Mensch sein zu wollen. Es geht um Gerechtigkeit.
Kein Mensch ist, wenn er geboren wird, schlechter als ein anderer. Egal wo er geboren wird und mit welcher Hautfarbe.