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Die Linke und der Nationalismus
#9

(19.03.2017, 19:50)bbuchsky schrieb:  War ja nur ein Aufhänger.

Gerade diese "Identität" möchte ich nochmal anreißen. Wer sich über seinen Glauben oder seine Nationalität definiert, steht für mich in dringendem Verdacht, überhaupt keine Identität zu haben.
Beides fällt einem nicht durch eigene Bestrebung zu, ist letztlich einem Zufall geschuldet.

Bei den Nationalstaaten bin ich ganz bei Ihnen. Der Drops ist gelutscht, alle nationale Hysterie dient letztlich dazu, Unterschiede herzustellen oder zu vergrößern, den Konflikt zur politischen Maxime zu erklären.
Gut für Waffenhersteller, schlecht für die Menschheit und eine Katastrophe für die Umwelt.

Kürzlich war in der Print-Ausgabe der SZ ein Artikel des Soziologen Stephan Lessenich ("Der Phantomschmerz des Wohlstandsbürgers") zu lesen, der das derzeitige "Unbehagen breiter gesellschaftlicher Schichten" näher analysierte und zu folgendem Ergebnis kam:

 
Zitat:Martin Schulz ist der Hoffnungsträger all jener, die den Gesellschaftsvertrag der deutschen Nachkriegsrepublik in Gefahr sehen - oder vielleicht eher spüren, dass dieser Vertrag vom bisherigen Personal, namentlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht mehr erfüllt werden kann. Dieser geheime Sozialvertrag der Wohlstandsrepublik Deutschland lässt die in mehr oder weniger kapitalismuskritisch gestimmten Kreisen gängig gewordene Rede von den "99 Prozent" (oder auch "dem Volk"), das von dem "einen Prozent" (wahlweise auch den obersten 0,1 Prozent oder den acht reichsten Männern der Welt) kurzgehalten und ausgenommen werde, in einem etwas anderen Licht erscheinen.

Das Kleingedruckte dieses Vertrags lautete in etwa so: Ihr, die politischen und ökonomischen Funktionseliten dieser Gesellschaft, dürft uns, die besitzlosen, aber mit dem allgemeinen Wahlrecht ausgestatteten Massen, im Betrieb und über das Parlament beherrschen, soweit und solange ihr für permanentes Wachstum und steigende Konsummöglichkeiten, ein wenig Umverteilung und die Aussicht auf sozialen Aufstieg für uns und unsere Kinder sorgt.
Und, so der wichtige Zusatzartikel zu diesem Vertrag auf Gegenseitigkeit, wenn ihr die Kosten dieses Arrangements von uns fern und uns dessen Nebenwirkungen vom Halse haltet: nämlich die für ökonomisches Wachstum notwendige Naturzerstörung, die trotz Umverteilung verbleibende Armut, das Wissen um die Gründung hiesigen Wohlstands auf der harten Arbeit von Menschen anderswo auf der Welt, die Aufstiegswünsche auch dieser Menschen für sich selbst und ihre Kinder. Wer heute von der "Abstiegsgesellschaft" und ihren Sorgen redet, sollte von den Voraussetzungen und Funktionsbedingungen der Aufstiegsgesellschaft, in Deutschland wie im Rest der westlichen Nachkriegswelt, nicht schweigen.

So wie die Bürger der vermeintlich ehemaligen Aufstiegsgesellschaft nicht länger darüber schweigen, dass "die Eliten" offenbar nicht mehr oder jedenfalls zunehmend weniger in der Lage sind, ihren Teil des Gesellschaftsvertrags zu erfüllen. Wenn die Wachstumsraten niedrig sind und die Aufstiegschancen gering, wenn für die Energiewende (und angeblich auch noch für Griechenland) gezahlt werden muss und die von der westlichen Wohlstandswelt Ausgeschlossenen an die Tür klopfen, wenn dann auch noch die Chinesen deutsche Firmen aufkaufen und die Türken uns auf der Nase herumtanzen - dann zürnen die Massen ihrem einen Prozent. Und dann wird auch das eine Prozent unruhig: Dann sprechen Professoren und Wirtschaftsinstitute plötzlich davon, dass zu viel Ungleichheit im Lande ökonomisch dysfunktional und sozial schädlich ist, dann dekretieren grüne Ministerpräsidenten, dass Kriegsgebiete sichere Herkunftsländer sind. Und die  SPD  präsentiert Martin Schulz als Kanzlerkandidaten.
Wenn in Deutschland die gerade hierzulande viel beschworene "Angst" herrscht, dann nicht, jedenfalls nicht außerhalb der in der Tat wachsenden Armutsmilieus, die Angst vor dem sozialen Abstieg oder davor, unmittelbar ums materielle Überleben kämpfen zu müssen.

Die deutsche Angst, oder sagen wir treffender: das Unbehagen breiter gesellschaftlicher Schichten ist ein anderes, und es reicht viel tiefer. Es ist das unbestimmte Gefühl, dass sich die Zeiten radikal wandeln, dass die Voraussetzungen der eigenen Lebensweise nicht mehr gesichert sind, dass die "gute alte Zeit" der ungeheuren Privilegierung der westlichen Wohlstandsgesellschaft im Weltmaßstab zu Ende geht - und nicht wiederkehren wird. Es ist die Ahnung, dass der Gesellschaftsvertrag des wohlstandskapitalistischen Zeitalters nicht mehr aufrechtzuerhalten ist - weder von Angela Merkel noch von Martin Schulz. Aber man kann es ja mal mit einem anderen probieren.

Es ist dieses Unbehagen an der Gegenwart, diese böse Ahnung, dass das Beste vorbei ist und die Zukunft - und zwar nicht nur für die eigenen Kinder - nichts Gutes mehr verheißt, die den Erfolg rechtspopulistischer Bewegungen, vor allem aber die Verbreitung sozialchauvinistischer Einstellungsmuster bis weit in die ökonomisch gesicherten Mittelschichten hinein verständlich machen. Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, Fremdenhass und Exklusionslust sind nicht "als eine Art politische Notwehr der unteren Schichten" zu verstehen, wie das von Wagenknecht der deutschen Volksvertretung zum Besten gegebene Eribon-Zitat behauptet - jener unteren Schichten, die versuchten, so geht das Zitat weiter, "ihre kollektive Identität zu verteidigen".

Was wir erleben, ist eine Art politische Notwehr einer Wohlstandsgesellschaft, deren kollektive Identität an eben ihrem Wohlstand und der Sorglosigkeit seines Genusses hängt: mit ein wenig Gerechtigkeit nach innen und vor allen Dingen ungestört von außen. Den Phantomschmerz des deutschen Wohlstandsbürgertums wird der Rückkehrer aus Brüssel womöglich kurzfristig heilen können. Langfristig aber gilt für die Wohlfahrtsgesellschaft genau das, was ihr derzeit auch Martin Schulz noch nicht predigen mag: ihren Wohlstand ernsthaft mit anderen zu teilen.
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Die Linke und der Nationalismus - von leopold - 19.03.2017, 18:35
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