04.12.2016, 09:55
Ein recht amüsanter Kommentar in der TAZ zum Thema "postfaktisch.
Zitat:Während die Reste der Sowjetunion nun aber zum Faktischen zurückfinden, wenn auch schweren Herzens, haben die Amis gerade voller Freude das Postfaktische für sich entdeckt: Die bürgerlichen Medien Washington Post und New York Times listeten unter Berufung auf „zwei Teams unabhängiger Forscher“ 200 Internet-Foren, -blogs und -plattformen auf, von links bis rechts, die mit „Fake News“ die Präsidentschaftswahl manipuliert hätten. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass dahinter Putin mit seiner russischen Propagandamaschine stehe.
Dieser Schwachsinn verdankt sich jedoch keinem revolutionären Schwung, auch keinem klassenanalytischen Vorgehen, sondern schnödester Kapitalistenangst: Mit dem Internet verlieren ihre Printmedien sowohl Abonnenten ohne Ende als auch Anzeigen sonder Zahl – und damit auch die Deutungsmacht [...]
Das Postfaktische, die Fake News gehören eindeutig in die große Tradition der deutschen spekulativen Philosophie, die bloß von den Amerikanern gering geschätzt und deswegen von den hiesigen Atlantikbrücken-Arschkriechern bekämpft wird. Als Eleven der „Frankfurter Schule“ wissen wir zudem, dass man zum klaren Denken den „bösen Blick“ braucht – sonst ist man in diesem Schweinesystem verloren, wie Theodor Adorno meinte.
Sogar der Spiegel ließ sich im Zuge der Studentenbewegung ein bisschen auf diesen „Blick“ – das „Postfaktische“ – ein. Aber dann kam Helmut Markwort mit seinem reaktionären Konkurrenzblatt Focus und bewarb es mit den Worten: „Fakten, Fakten, Fakten. Und immer an die Leser denken.“ Daraus machte die Titanic dann „Ficken, Ficken, Ficken, und nicht mehr an den Leser denken.“ Markwort klagte wegen Postfaktizität. Und verlor.