19.01.2019, 11:06
(19.01.2019, 10:35)forest schrieb: Bleiben wir beim Beispiel mit dem 50jährigen Ingenieur. Was passiert mit ihm?
Er hat ein soeben abbezahltes Haus oder eine ETW, selbstbewohnt, nicht vermietet, also Vermögen. Muß er das nun verkaufen, um vermögenslos im Sinne der Sozialgesetze zu sein und Unterstürzung erhalten zu können? Zunächst hat er dann allerdings den Verkaufserlös, von dem er eine Weile zehren kann.
Dann braucht er allerdings eine Unterkunft und wird Mieter, soweit das auf dem angespannten Wohnungsmarkt gelingt. Zwischenzeitlich schreibt er 100 Bewerbungen ohne Erfolg. Einen Job bekommt er nicht mehr, auch nicht unterhalb seiner Qualifikation, weil er mit jüngeren, körperlich belastbareren nicht konkurrieren kann.
Als sachkundiger Ingenieur hat er die 100 Bewerbungen auf seinem PC gespeichert und verschickt sie mit neuem Datum versehen abermals, um keine Sanktionen erleiden zu müssen.
Ob Ludwig Erhard seine soziale Marktwirtschaft so verstanden haben wollte?
Schön, dass hier sich auch jemand mit der Theorie beschäftigt, statt nur persönliche Attacken zu fahren.
Es ging mir ja darum, ob es gerechtfertigt war, die frühere Arbeitslosenhilfe abzuschaffen, denn diese lud eben in bestimmten Lebenssituationen zum Missbrauch ein.
Zudem befand sich das deutsche Sozialsystem Anfang der 00er Jahre auf einer schiefen Bahn: Die Arbeitslosigkeit stieg über 5 Millionen, das Wachstum stockte und der demografische Wandel verschärfte sich. Deutschland galt als der kranke Mann Europas und es war keine Besserung in Sicht. Schröders Reformen durchbrachen diese Spirale nach unten, es ging aufwärts und Deutschland überstand sogar die Finanzkrise mit Bravour.
Dass dabei nicht alles sachgerecht und auch sozial gerecht ablief, war sicher zum Teil der Komplexität des Vorhabens geschuldet, aber auch den Forderungen der Unionsparteien, die über den Bundesrat ihre Vorstellungen eingebracht haben. Jede Veränderung, wie auch der Mindestlohn, musste gegen den massiven Widerstand von CDU und CSU durchgesetzt werden.
Das ist bis heute so, obwohl unter Experten längst Einverständnis darüber besteht, dass beispielsweise die Lebensleistung der Betroffenen stärker berücksichtigt werden sollte. D.h. ein 55jähriger Ingenieur sollte hinsichtlich Schonvermögen und Zwang zur Annahme einer Arbeit nicht behandelt werden wie ein 40jähriger.
Diese Änderungen wie auch eine Flexibilisierung und teilweise Abschaffung der Sanktionen sind überfällig und passen auch in die aktuelle Situation der deutschen Wirtschaft, der es prächtig wie nie zuvor geht.