10.04.2018, 09:36
(10.04.2018, 08:26)Udo schrieb: Spannend wäre die Frage, wieviel Wähler diesen historischen Untergrund vor der Stimmenabgabe hätten erzählen können.
Meiner Meinung nach ist es wohl ein zuvernachlässigende Minderheit. In solchen historischen Zusammenhänge ist die Unwissenheit sehr groß. Dies trifft nicht nur auf die Ungarn zu.
So spannend scheint die Frage für Sie ja doch nicht zu sein. Denn Sie wissen es natürlich besser als die Betroffenen.
Vielleicht hilft Ihnen ja das ...
Islamophobie hat in Ungarn eine Tradition
(qantara.de ist ein Onlineportal der Deutschen Welle, arbeitet mit dem Goethe-Institut zusammen)
Zitat:Die Islamophobie kommt nicht von ungefähr. Sie hat in Ungarn eine lange Tradition. Die "Katastrophe von Mohacs" 1526 ist ein kollektives Trauma - wie auch die Beschneidung des einstigen Königreichs Ungarn im Vertrag von Trianon 1920 auf ein Drittel seiner einstigen Fläche; die anderen zwei Drittel fielen damals den neu gegründeten Nachbar- und Nachfolgestaaten zu: Rumänien, der Tschechoslowakei, Kroatien.
In Mohacs hatte das ungarische Heer 1526 gegen die osmanischen Truppen unter Süleyman I. eine vernichtende Niederlage bezogen. Die Muslime konnten große Teile Ungarns unterwerfen. Durch den Tod des Ungarnkönigs Ludwig II. fielen Böhmen und Ungarn an den späteren Habsburgerkaiser Ferdinand I. Vor den Jahrestagen dieser größten nationalen Niederlagen - Mohacs und Trianon - kann Orban mit Angst vor einer islamischen Bedrohung und mit Nationalstolz auf sicheren Stimmenfang gehen.
... oder das ...
Als die Osmanen zum ersten Mal Wien erobern wollten
Zitat:Fast fünf Monate waren vergangen, seit ein 150.000 Mann starkes Heer von Adrianopel (heute Edirne) Richtung Belgrad und Wien aufbrach. Am 8. September nahmen die Türken Ofen (Budapest) ein und metzelten die Besatzung unter Missachtung der Kapitulationsvereinbarungen bis auf den letzten Mann nieder. Anfang September 1529 rückte die Vorhut ins Wiener Becken ein: 20.000 leichte Reiter. Offiziell hießen sie "Akindschis" (Sturmreiter), doch die Soldaten nannten sie nur "Delis" (die Verrückten).
Die „Verrückten“ versklavten und mordeten
Diese Delis leisteten ganze Arbeit. Innerhalb weniger Tage wurden mehr als 5000 Zivilisten gefangen oder ermordet. Ein türkischer Chronist berichtet: "Dieses schöne Land ward von den Reitern zerwühlt und mit Rauch gefüllt. Aschenhügel waren die Reste der Häuser und Paläste. In den Zelten und auf den Lagermärkten wurden schöne Gesichter verkauft, und der Beute war kein Ende. Die Familien der Ungläubigen waren verbrannt und verheert ihr ganzes Land."
Es handelte sich also keineswegs um die Exzesse einzelner Truppenteile, sondern bildete ein Kalkül der türkischen Strategie, durch Mord und Terror gegen die Zivilbevölkerung den militärischen Widerstand des Gegners zu brechen.(...)
Die Janitscharen (yeni ceri = neue Truppe) standen in der jahrhundertealten Tradition muslimischer Kriegersklaven. Die Osmanen rekrutierten sie meist aus dem Balkan, wo sie ihren christlichen Eltern als Kind geraubt und zur Umerziehung ins Osmanische Reich verschleppt wurden. Dort wurden sie einer harten Disziplin unterworfen, streng islamisiert und für den Krieg ausgebildet. Man brachte ihnen bei, dass das Janitscharen-Korps ihre Familie und der Sultan ihr Vater sei.
Das war drei Jahre nach dervernichtenden Niederlage der Ungarn gegen den Sultan. Und man darf annehmen, dass sich das osmanische Heer in Ungarn gewiss nicht "besser" benommen hat.
Am besten aber lesen Sie den ganzen Welt-Artikel.
Ich denke mal, in den betroffenen Ländern des Balkans (v.a. Serbien, Kroatien, Bosnien etc.) sowie Ungarn (zu dem damals größere Teile des Balkan gehörten) gehört das Wissen darüber zur nationalen Identität und ist Pflichtstoff im Geschichtsunterricht.