Ganz schwieriges Thema. Der Ritt auf der Rasierklinge sozusagen.
Ich sag mal so viel dazu...
Wenn ich am Flughafen bin, und dann stellt sich jemand mit einem weiten, schwarzen Gewand und mit langem Bart und mit Schläfenlöckchen und einer Kippa oder alternativ sogar noch mit schwarzem, dreiteiligem Anzug, schwarzem Mantel und einer Melone (der Hut, nicht die Frucht, das muss man heutzutage wahrscheinlich dazuschreiben), unter der Schläfenlöcken hervorkommen (! => zwingende Assoziation: Jüdischer Diamantenhändler) in die Nähe, dann beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Ein ähnlich ungutes, wie wenn ein Kaftanträger mit wallendem Bart und einer komplett verhüllten Frau im Schlepptau sich in meine Nähe stellt.
Ich stelle mich dann woanders hin. Obwohl ich weiß, dass ich in diesem Moment von logisch ganz und gar nicht nachvollziehbaren Vorurteilen geritten werde und ich eigentlich versuche, so etwas zu vermeiden.
Ich habe einfach eine Aversion gegen Leute, die ihre Religion ostentativ vor sich hertragen und dann auch noch dafür bekannt sind, ständig und überall in Konflikte deshalb, sehr oft auch in äußerst blutige, verwickelt zu sein. Es gibt Erscheinungsformen von Gläubigen, die ich als potentiell gewaltbereit empfinde. Dazu gehören sowohl gewisse strenggläubige Moslems als auch orthodoxe Juden. Und ich habe dann den unwiderstehlichen Drang, mich von diesen Leuten fernzuhalten.
Ordensfrauen und Priester im entsprechenden Gewand erwecken diese Assoziationen und "Fluchtgedanken" bei mir übrigens nicht. Und zwar höchstwahrscheinlich nicht, weil ich einfach in eine erzkatholische Gegend hineingeboren wurde, sondern weil diese Leute, wenigstens heutzutage, nicht mehr dafür bekannt sind, in blutigen Konflikten mitzumischen. Und wenn, dann allenfalls als Opfer.
Mit denen ist es bei mir ähnlich wie mit den Hare-Krishnas. (Wo sind die eigentlich hingekommen? Die sind wie vom Erdboden verschluckt. Früher liefen einem die ständig über den Weg in der Fußgängerzone mit ihren orangenen Gewändern und "Krishna-krishna-krishna-hare-hare-rama-rama" murmelnd. Ich hab schon jahrelang keinen mehr gesehen von denen.) Mit denen hatte ich auch nie ein gefühlsmäßiges Problem, ohne mich auch nur irgendwie für deren "Sache" erwärmen zu können.
Und das steckt ganz tief drin in mir, und etwas dagegen zu tun, ist extrem schwierig.
Anderes Beispiel.
Meine Mutter hat sich immer bemüht, alle gleich zu behandeln, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, eventueller Behinderung o.ä. Nur hat sie (1945 geboren) in ihrer frühen Kindheit so viele schlimme Geschichten über schwarze amerikanische Soldaten gehört, die deutsche Frauen und Mädchen vergewaltigt haben (was ja auch 1945 massenhaft so war, als "die Amerikaner kamen"), dass sie immer ein äußerst ungutes Gefühl hatte, wenn Schwarze in der Nähe waren.
Das ging so weit, dass meine Eltern in meiner Kindheit (als noch viel mehr amerikanische Soldaten in Deutschland stationiert waren als heute, die waren viel präsenter im Alltag in den 70ern als heutzutage) den Tisch im Lokal so ausgesucht haben, dass er möglichst weit entfernt von schwarzen amerikanischen Soldaten war, wenn solche schon irgendwo saßen.
Und das wohlgemerkt, obwohl eines der Lieblingsbücher meiner Mutter "
Gottes zweite Garnitur " von Willi Heinrich war. Das ist ein Roman, indem es genau darum geht: Einen schwarzen Soldaten, der in Deutschland stationiert ist, eigentlich nur Gutes und schon gar nichts Böses im Sinn hat, und trotzdem diskriminiert wird. (Und sie war keine Zynikerin, meine Mutter ganz und gar nicht. Nichts von dem, was bei mir in dieser Richtung vorhanden ist, habe ich von ihr geerbt. Es war also nicht deshalb eines ihrer Lieblingsbücher, weil ihr die darin beschriebene Diskriminierung gefallen hätte.)
Was ich damit ausdrücken will: Es ist nicht leicht, Vorurteile zu überwinden. Sie sind sehr tief in einem verankert. Selbst beim besten Willen ist es machmal unmöglich, sich über das "dumpfe Gefühl" hinwegzusetzen, das schon sehr früh in die eigene Psychologie eingebrannt wurde, wodurch auch immer. Und jeder hat Vorurteile; keiner von uns kann sich davon ausnehmen.
Ich glaube keinem, der sich hier hinstellt und schreibt, er wäre jemand ohne Vorurteile. So jemanden gibt es nicht.
So. 'nuff said, von meiner Seite aus.