24.04.2017, 20:14
Eine Diskussion wert: Was macht Verhetzte aus? Gibt es autoritäre Persönlichkeiten oder ist der Rechtspopulismus tatsächlich nur die Folge von eingebildeter oder tatsächlicher Ungerechtigkeit?
Der Trick mit der Gefühlsbefreiung
Zitat:Wie immer man das Phänomen nennen will, für das die Namen Trump , Le Pen oder AfD stehen – es ist nicht bloß eine Denkweise, sondern eine Gefühlswelt. Wird sie beschrieben, dann fallen Vokabeln wie Hass, Wut, Frust, Sorgen und Nöte. Und so viel steht fest: "Man kann diese Gefühle nicht einfach als zufällig oder den Menschen eingeredet abtun; sie gehören zum Grundbestand der modernen Gesellschaft. Misstrauen, Abhängigkeit, Sich-ausgeschlossen-fühlen, Angst und Desillusionierung fließen in eins zusammen und ergeben einen grundlegenden Zustand des Menschen im heutigen Dasein: das große Unbehagen." Kluge Worte, sie wurden vor 70 Jahren geschrieben.
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Adornos Hypothese lautete, "dass die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überzeugungen eines Individuums häufig ein umfassendes und kohärentes, gleichsam durch eine 'Mentalität' oder einen 'Geist' zusammengehaltenes Denkmuster bilden und dass dieses Denkmuster Ausdruck verborgener Züge der individuellen Charakterstruktur ist". Es gebe also zwei Schichten, die Ansichten und die seelischen Bedürfnisse, und sie hätten miteinander zu tun: Die Ansichten befriedigten die Bedürfnisse.
Adorno und seine Mitautoren wenden sich gegen die vulgärmarxistische Vorstellung, rechtsradikale Stimmungen seien einfach der Ausdruck sozialer Missstände. Sie vermuten stattdessen, dass "lange bestehende Sehnsüchte und Erwartungen, Ängste und Unruhen die Menschen für bestimmte Überzeugungen empfänglich und anderen gegenüber resistent machen". Zu diesen Sehnsüchten zählte schon damals, dass der permanente Veränderungsstress endlich aufhören möge. Das ist verständlich, aber doch regressiv: die Verweigerung eines erwachsenen Umgangs mit der Welt.
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Sie zeigen, dass sich Vorurteile gegen Minderheiten durchaus unabhängig von sozialen Lagen herausbilden. Ein weiterer Befund ist der "Bruch zwischen angeblichem und wirklichem Denken". Etliche Befragte hatten ihre Fragebögen so ausgefüllt, wie sie es für erwünscht hielten ("politisch korrekt", würde man heute sagen) – erst im Gespräch zeigten sie ihre wahren Ansichten, oft in Form neurotischer Fixierungen. Das waren beispielsweise pathologische Überlegenheitsfantasien ("Ich kenne alle Hintergründe") oder auch sexuelle Triebe, die man sich nicht gern eingesteht, sie vielmehr anderen – namentlich den Fremden – zuschreibt, um diese sodann zu verurteilen.
Um Verborgenes geht es also. (...)
Der Trick mit der Gefühlsbefreiung