(08.11.2017, 19:55)Sophie schrieb: Da bin ich sogar bei Dir. Ich habe nichts gegen Leuchtreklame. Ganz im Gegenteil bin ich sogar Fan von solcher, wenn sie gut aussieht. Außer an Denkmälern. Und das ist eben das Dilemma an dieser Stelle. Drüben am ehemaligen Filmpalast wäre das nicht so dramatisch oder an der Karlstraße/Ecke Karolinen beim Mephisto.
Die Seferis wollten den Schriftzug versteigern. Damit ist es eher unwahrscheinlich, dass er auf dem Müll gelandet wäre.
Das Capitol war jahrzehntelang ein Kino. Das macht das Denkmal aus. Das Kino zusammen mit der Fassade. Und zu einem Kino gehörte schon in den 1930ern eine Leuchtreklame. Nicht die Fassade alleine, denn die ist eigentlich gar nicht so schutzwürdig.
Die Innenstadt von Augsburg war ja nach dem winterlichen Bombenangriff 1944 ziemlich zerstört. Auf Deutsch gesagt war da alles kaputt, auch der unmittelbar benachbarte (aus Bomberpilotensicht) Perlachturm wurde schwer getroffen und ist ausgebrannt. Die Altstadt gleich dahinter sieht lediglich alt aus.
Oder wenn du zum Beispiel wissen willst, was in alten Urkunden drinsteht, die die Grundlage von stichwortartigen Grundbucheinträgen bilden, wenn du also wissen willst, was wirklich der Inhalt eines alten Rechts vor 1944 ist, das auf einem Grundstück lastet, dann kommst du in den Grundakten von Augsburg nicht weiter. Da findet man normalerweise die Urkunden, die die Grundlage der Grundbucheintragung waren, und da ist das Recht genau definiert. Rechtlich gesehen ist die Grundakte (fast) ein Teil vom Grundbuch. Im Grundbuch steht in Abteilung II quasi schlagwortartig, dass da ein Recht ist und was es systematisch ist, "Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht)" z.B., und in der Urkunde gibt es dann einen Plan oder eine Beschreibung. ("Von der Birke an der Nordseite bis zur Buche an der Südseite auf einem Weg mit 2,5 Metern Breite" darf der Nachbar gehen und fahren oder so, aber maßstabsgetreue Pläne sind mir weitaus lieber. Leider haben sie das früher oft mit Worten umschrieben. Vermutlich, weil sie noch keinen Fotokopierer hatten, aber schon Schreibmaschinen, die mit Kohlepapier Durchschläge machen konnten. Und dann haben sie sich noch oft auf langlebige, aber letztlich doch vergängliche Landmarken wie bestimmte Bäume bezogen. Dass man die Urkunde auftreibt, ist also noch keine Garantie dafür, dass man hinterher weiß, wo der Nachbar gehen und fahren darf. Der Baum kann in den 1970ern gefällt worden sein und der Stumpf mit Wurzelstock inzwischen restlos verrottet, wenn man ihn bei der Fällung nicht gleich mitentfernt hat.)
Es gibt also beim Augsburger Grundbuchamt grundaktenmäßig nichts mehr, was älter ist als der Winter 1944/45. Diese Urkunden muss man anderweitig besorgen oder es gibt sie halt nicht. Hat man sie aufgetrieben (was gar nicht soo schwer ist, wenn man weiß, wo sich noch weitere Abschriften verstecken könnten), ist das noch keine Garantie dafür, dass man hinterher weiß, was man wissen wollte. Und dann lösche mal dieses Recht, wenn nicht mal der Berechtigte weiß, worum es eigentlich ging. Verzichten will er natürlich auch nicht, so lange er nicht weiß, was dahintersteckt.
Nachdem also die Zerstörungen in der Innenstadt verheerend waren, vor allem auch, weil das Löschwasser eingefroren war, war da nicht viel übrig. (Die Grundbücher waren zur Sicherheit ausgelagert, die zugehörigen Grundakten waren aber im Keller Am Alten Einlass 1 und wurden durch Brand- und Löschwasserschäden völlig zerstört.)
Aber ich schweife ab.
Festzuhalten ist: Auch die Fassade vom CAPITOL stammt deshalb natürlich aus der Nachkriegszeit.
Es geht mir darum, dass aus meiner Sicht auch Relikte aus den 50er und 60er Jahren denkmalschutzwürdig sind. Vielleicht sogar schutzwürdiger als wirklich alte Baudenkmäler, denn mit denen wurde schon immer anders umgegangen als mit einer Leuchtreklame. Die schützen sich von selber, wenn nicht ein paar religiös völlig
Verblödete Verblendete daherkommen wie die
Bilderstürmer .
Es geht mir auch nicht um
diese Leuchtreklame. Die ist typisch für ihre Zeit, aber im Prinzip etwas, das zu der Zeit irgendeine Firma angeboten hat und man konnte das mit seinem Schriftwunsch drauf kaufen. Und irgendwann in den 70ern und 80ern spätestens wurde das alles entsorgt, weil der Laden plötzlich einen anderen Besitzer hatte und ganz was anderes verkauft hat und wurde achtlos auf den Müll geschmissen. Dieses Zeug, das es damals massenhaft gab, ist jetzt fast alles so gut wie weg aus dem Stadtbild. Und nicht nur weg aus dem Stadtbild. Das haben sie alles kurz und klein geschlagen, damit es in die Tonne passt, und dann wurden die Scherben auf irgendeine Deponie gekippt.
Und das ist unglaublich schade. Denn das sind für mich Reminiszenzen an die gute alte Zeit. Nicht ein Mozarthaus. Wer's mag, ok. Aber mir ist das zeitlich und gefühlsmäßig zu weit weg und zu bruchbudig. Ich würde versuchen, so etwas loszukriegen, wenn ich es erben würde. Aber wenn ich das CAPITOL geerbt hätte, dann wäre die Leuchtreklame natürlich drangeblieben.