06.10.2017, 10:13
Bevor hier ziemlich einseitig weitergedröhnt wird im Sinne von egoistische und rücksichtslose Haltung der Katalanen, verlinke ich hier mal drei Artikel mit einigen Auszügen, die den Konflikt aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
Sevim Dagdelen von der Linken: Am Scheideweg
Aus "German-Foreign-Policy.Com
Neue Debatte: Nahe am Abgrund
Es liegt also eine ziemlich komplizierte und explosive Gemengelage aus egoistischem gewinnorientierten Denken katalanischer Politiker und der katalanischen Wirtschaft, den Folgen einseitiger Bevorzugung Katalaniens durch v.a. deutsche Investoren zum Nachteil des restlichen Spaniens, weit zurückreichenden politisch-historischen Gründen und ganz speziellen opportunistischen Erwägungen der Regierungspartei vor.
PS: Bevor ich es vergesse. Alle drei verlinkten Artikel stammen aus den hervorragenden NachDenkSeiten. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Danke.
Sevim Dagdelen von der Linken: Am Scheideweg
Zitat:Das brutale Eingreifen der spanischen Polizeikräfte gegen die Befürworter des Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens mit weit über 800 Verletzten hat die Legitimität des spanischen Staates in der Region weiter geschwächt. Mit einem Generalstreik und friedlichen Massenprotesten haben Hunderttausende gegen die Polizeigewalt protestiert.
Es wäre jedoch weit gefehlt, den Separatisten lediglich altruistische Motive zu unterstellen. Viele Unabhängigkeitsbefürworter möchten schlicht nicht weiter für ärmere Regionen Spaniens zahlen. Tatsächlich waren und sind die verschärften innerspanischen Verteilungskämpfe nach der Wirtschafts- und Finanzkrise für eine Zuspitzung der Situation mit verantwortlich.
Auch, dass bei dem Referendum kein Mindestquorum zu Grunde gelegt wurde, lässt Zweifel an der Legitimität der demokratischen Entscheidung erkennen. Sicher, über 90 Prozent haben sich für die Unabhängigkeit entschieden, aber bei einer Wahlbeteiligung von knapp über 42 Prozent der Bevölkerung fehlt eine absolute Mehrheit der Stimmen für eine derart gravierende Entscheidung selbst in Katalonien. Und über territoriale Loslösungen muss zudem die Bevölkerung des Gesamtstaates befinden.
Aus "German-Foreign-Policy.Com
Zitat:Die gezielte Förderung einer exklusiven Kooperation deutscher Unternehmen mit wohlhabenden Regionen in Staaten mit verarmenden Landesteilen hat das Erstarken autonomistisch-sezessionistischer Bewegungen in Westeuropa systematisch begünstigt. Dies zeigt eine Analyse der Separatismen in Katalonien, der Lombardei und Flandern. (...) Katalonien und die Lombardei haben in einer exklusiven Zusammenarbeit mit dem Bundesland Baden-Württemberg ebenfalls ihren Vorsprung gegenüber ärmeren Gebieten Spaniens und Italiens ausbauen können. Dies hat das Streben der jeweiligen Regionaleliten befeuert, den Mittelabfluss per staatlicher Umverteilung durch größere Autonomie oder gar Sezession zu stoppen. Die Folgen einer gezielten Kooperation nicht mit fremden Staaten, sondern lediglich mit wohlhabenden Regionen sind aus dem ehemaligen Jugoslawien bekannt (...)
Auch für Katalonien ist das Geschäft mit Deutschland bislang von hoher Bedeutung. Aus der Bundesrepublik kamen im Jahr 2015 18,3 Prozent der katalanischen Importe, mehr als aus jedem anderen Land. Umgekehrt ist Deutschland der zweitgrößte Abnehmer katalanischer Exporte. Mehr als zehn Prozent der Investitionen in Katalonien stammen aus der Bundesrepublik. Umgekehrt ist die Region für deutsche Unternehmen die Hauptanlaufstelle in Spanien.
Neue Debatte: Nahe am Abgrund
Zitat:Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien, von spanischen Gerichten bereits im Vorfeld als illegal eingestuft, würde die Verfassung verletzten, heißt es. Ein Referendum ist aber noch lange keine Abspaltung. Zudem sollte bedacht werden, dass die Verfassung, die im Dezember 1978 ratifiziert wurde, aus der Übergangszeit von der Franco-Diktatur in die Demokratie stammt.
Sie wurde maßgeblich von sieben Männern gestaltet, von denen einige während der Diktatur wichtige Ämter und Ministerposten bekleideten (...)
Die Handschrift des Franquismus findet sich also in der Verfassung wider. Der eingearbeitete Passus, der den Status der heute autonomen Regionen beinhaltet und keine Abspaltung zulässt, wurde aus Rücksichtnahme auf den Ende der 1970er-Jahre noch sehr starken Einfluss des Militärs formuliert (...)
Da wäre zum einen König Felipe. Das Staatsoberhaupt wurde weder vom Volk noch von dessen Vertretern jemals gewählt, sondern hat die Rolle des Königs von seinem Vater Juan Carlos übernommen, der einst von Diktator Franco eingesetzt wurde (...)
Zwar besteht keine Gefahr, dass der König von heute auf morgen vom Volk abgesetzt würde, trotzdem ist es ein natürliches Verhalten von Felipe, dass er sich auf die Seite jener konservativen Kräfte schlägt, die die Reste der Monarchie unbedingt erhalten wollen.
Regierungschef Mariano Rajoy dürfte der Katalonien-Konflikt nicht ungelegen kommen. Die Auseinandersetzung hat sich schon seit Jahren angebahnt. Sie schnell und friedlich zu lösen wäre zwar im Interesse der inneren Stabilität Spaniens, hätte aber den Nachteil, dass dann der Blick wieder frei wäre auf die hohe Arbeitslosigkeit, die lahmende Wirtschaft, die grassierende Armut, die sozialen Verwerfungen durch die Austeritätspolitik und die ausufernde Korruption.
Allein Mitglieder von Rajoys Partido Popular sehen sich rund 800 Anklagen gegenüber die von illegaler Wahlfinanzierung über Geldwäsche bis hin zu Bestechung und Bestechlichkeit reichen. Kataloniens Ungehorsam ist daher zumindest eine willkommene Ablenkung von der Misere der Regierungspartei ...
Es liegt also eine ziemlich komplizierte und explosive Gemengelage aus egoistischem gewinnorientierten Denken katalanischer Politiker und der katalanischen Wirtschaft, den Folgen einseitiger Bevorzugung Katalaniens durch v.a. deutsche Investoren zum Nachteil des restlichen Spaniens, weit zurückreichenden politisch-historischen Gründen und ganz speziellen opportunistischen Erwägungen der Regierungspartei vor.
PS: Bevor ich es vergesse. Alle drei verlinkten Artikel stammen aus den hervorragenden NachDenkSeiten. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Danke.