06.11.2017, 23:19
(06.11.2017, 18:43)leopold schrieb: Das Thema scheint hier zwar tot zu sein, mich hat es nun aber doch gereizt, mich mal mit den sehr interessanten Hintergründen des Augsburger Friedensfestes und der DAZ-Kritik daran etwas näher zu befassen.
Zunächst Grundsätzliches über den historischen Zeitablauf und die historischen Zusammenhänge:
Das "Augsburger Hohe Friedensfest" wird seit 1650 jedes Jahr am 8. August begangen. Ursprünglich feierten die Augsburger Protestanten damit das 1648 durch den Westfälischen Frieden eingeleitete Ende ihrer Unterdrückung während des 30jährigen Krieges. Mit dem Westfälischen Frieden wurde die bereits im Augsburger Religionsfrieden von 1555 vereinbarte Parität wiederhergestellt und bestätigt.
Seit 1950 ist das Augsburger „Hohe Friedensfest“ im Stadtkreis Augsburg gesetzlicher Feiertag. Seit 1984 feiert auch die katholische Kirche den Friedenstag offiziell mit. Seit 1985 verleiht die Stadt Augsburg alle drei Jahre den Augsburger Friedenspreis.
Was ist nun eigentlich die Kernaussage von Bernhard Schiller? Der Artikel ist leider nicht nur unnötig kompliziert geschrieben, sondern auch sehr langatmig und unübersichtlich und er vermischt verschiedenste Themen. Die in den Text eingeschobenen (und im Zusammenhang eher weniger relevanten) Exkursionen zu Themen wie Wahrheit, Judenverfolgung oder Hexenwahn und die ausführliche und sehr weit hergeholte Kritik am diesjährigen Friedenspreisträger Martin Junge (der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes ein Antizionist oder gar Antisemit ???) lasse ich deswegen weg und beschränke mich auf die in Einleitung und Zusammenfassung formulierte und im Text nur scheinbar belegte grundsätzliche Kritik an der Institution „Friedensstadt Augsburg“.
Wer einen Artikel so beginnt, will nicht diskutieren, sondern attackieren. Übersehen wird dabei, dass der Autor mit solchen Unverschämtheiten schon zu Beginn einen Großteil seiner Leserschaft verliert oder zumindest in Abwehrhaltung bringt.
Unterschlagen wird, dass der Friedenspreis von der Stadt Augsburg und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gemeinsam vergeben wird. Warum die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wird, wenn ein Lutheraner mit dem Preis bedacht wird, wird nicht näher begründet. Stattdessen folgt ein überflüssiger Exkurs über Glaubwürdigkeit und/oder Wahrheit.
Wer will den Urhebern des Augsburger Reichs- und Religionsfriedens von 1555 ernsthaft vorwerfen, dass dieser nicht für alle Ewigkeit hielt? Was haben die Weltkriege und all die anderen Gräueltaten von Menschen an Menschen in den letzten Jahrhunderten damit zu tun? Zur Erinnerung: Das "Augsburger Hohe Friedensfest" wird erst seit 1650 jedes Jahr am 8. August begangen und auch viele Jahrhunderte lang nur von den Protestanten der Stadt. Die Aussage von OB Gribl zum Religionsfrieden („Seither ist Augsburg Friedensstadt“) mag pathetisch klingen, darauf eine hämische („unverbrüchlich“) Fundamentalkritik an der heutigen „Friedensstadt Augsburg“ aufzubauen, ist allerdings stark übertrieben. Entscheidend ist doch allein, dass seit 1984 die Katholiken das Friedensfest gemeinsam mit den Protestanten feiern und dass seit der Einführung des Friedenspreises im Jahr 1985 Gläubige unterschiedlichster Religionen, aber auch Nichtgläubige über Wege zum Frieden diskutieren. Und die Wurzel dieses Miteinanders liegt nun einmal im Jahr 1555.
Herr Schiller legt dem OB etwas in den Mund, was der explizit so nie gesagt hat und baut darauf seine Argumentation auf. Das ist schlechter Stil. Was haben zudem die angeblichen „Hassobjekte Martin Luthers“ mit der Stadt Augsburg zu tun? Die Confessio Augustana wurde zwar 25 Jahre vor dem Augsburger Religionsfrieden in dieser Stadt dargelegt, vielmehr hat sie mit dieser Stadt aber nicht zu tun. Herr Schiller verwechselt zudem anscheinend das heutige Etikett „Friedensstadt“ mit einer „ewig friedlichen Stadt“. Das dieser Anspruch etwas hochgegriffen ist, sollte einem geschichtlich gebildeten Menschen einleuchten.
Was ist Frieden heute und was ist Frieden überhaupt? Gute Frage! Was aber war Frieden im Jahr 1555? Für die damals lebenden Menschen war der Augsburger Religionsfrieden sicher erst einmal eine gewaltige Erleichterung, auch wenn er nicht alle gesellschaftlichen Gruppen einschloss und wenn er nur zwei Generationen hielt. Viel weiter sind wir heute in Deutschland übrigens auch nicht, wenn man überhaupt behaupten will, dass wir im Frieden leben. Nur: Warum sollte ein solcher für die damaligen Verhältnisse einzigartiger Friedensschluss uns heute nicht als Vorbild oder wenigstens als Anlass zum Nachdenken über eine friedlichere Zukunft dienen?
Solche grundsätzlichen Fragen mag sich der Friedensforscher stellen, nur was hat das mit dem Thema „Kritik an der Friedensstadt Augsburg“ zu tun? Oder bewirbt sich Herr Schiller damit für die Leitung eines Workshops für’s nächste Friedensfest?
Ein „Umschlag“ ist für mich zwar etwas anderes, aber wenn der Autor im Zusammenhang mit der historischen Begründung des Augsburger Friedensfestes ein Umschlagen von Aufklärung in Unmündigkeit andeuten will, findet er mit diesem Schlusswort wieder zum Stil seiner Einleitung zurück. Einfach nur absurd.
Mit diesem Post haben Sie bestätigt, was eine User bereits vermutete: Sie haben keine Ahnung, keine Methode und blasen die Backen auf. Es ist vollkommen sinnlos auf diese Küchentischexegese einzugehen.