25.04.2017, 09:44
(24.04.2017, 22:27)bbuchsk schrieb: Der elementare und bestimmende Einfluß auf die Wesensstruktur des Menschen findet nämlich gar keine Berücksichtigung:
Die Erziehung!
Nun, das ist ja nicht unbedingt ein Widerspruch. Darüber, woher die festgefügten Denkmuster der für rechtes Gedankengut Anfälligen kommen, wird ja keine Aussage gemacht.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Beobachtung, dass es sich bei den Wutbürgern mitnichten mehrheitlich um die angeblich Abgehängten handelt, sondern sehr oft um saturierte Wohlstandsbürger, überwiegend männlich und älter als 50. Viele wollen zurück in die gute alte Zeit, als die Welt angeblich noch in Ordnung war. Das gilt heute und galt offensichtlich bereits vor 70 Jahren, als Adorno seine Thesen veröffentlichte.
Zitat:Zu diesen Sehnsüchten zählte schon damals, dass der permanente Veränderungsstress endlich aufhören möge. Das ist verständlich, aber doch regressiv: die Verweigerung eines erwachsenen Umgangs mit der Welt.
Auffällig ist auch die Sehnsucht nach dem starken Mann, wie er sich bei den Trump-Anhängern manifestiert.
Zitat:… der Faschismus lebe „von dem Mangel an emotionaler Befriedigung in der Industriegesellschaft“ und davon, „dass er den Menschen jene irrationale Genugtuung verschafft, die ihnen durch die heutigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorenthalten wird“.
Wie anders ist es zu erklären, dass die Trumpies ihrem Held zujubeln, obwohl dieser nicht nur alle Tabus bricht und jeglichen Anstand außer Acht lässt, sondern sich dabei auch noch lächerlich macht. „Entzivilisierung macht glücklich.“
Das Fazit dieser Überlegungen ist, dass die heutige Zuwendung zum Rechtspopulismus oder gar zum Rechtsextremismus ihre Ursache nicht unbedingt in den unhaltbaren Zuständen unserer Zeit hat, sondern dass dieses „Unbehagen“ bei vielen Menschen tief verwurzelt und Ausdruck ihrer gefühlten Hilflosigkeit und Passivität ist: Es soll alles so bleiben, wie es ist, und wenn Veränderung unbedingt sein muss, dann unter der fürsorglichen Aufsicht eines starken Führers oder wenigstens einer starken Führungsmacht (wie den USA oder Russland).
Zitat:Vor dem "großen Unbehagen" in Überlegenheitsfantasien zu flüchten ist eine dauerhafte Option. Manchmal genügt eine Unwucht im Parteiensystem oder die offenkundige Abnutzung einer Führungsschicht, und es beginnt eine Dynamik, die sich ihren Brennstoff sucht – sei dieser auch "postfaktisch", also herbeifantasiert und zusammengelogen. Er zündet dennoch.