Es ist schon unfassbar, mit welcher Geschwindigkeit Institutionen, die man vor kurzer Zeit noch für unantastbar hielt, zu bröckeln beginnen. Egal, wohin man blickt - USA, GB, Israel, Italien, Ungarn -, überall agieren Politiker, die bereit sind, die Demokratie für ihren Machterhalt zu opfern. Und das Schlimmste ist: Es gibt womöglich in diesen Ländern Mehrheiten, die dem nicht Einhalt gebieten, weil sie nicht bereit sind, andere Auffassungen zu akzeptieren. Man fühlt sich um Hundert Jahre in der Zeit zurückversetzt. Und eines dürfte klar sein: Wenn die Demokratien verschwinden, ist auch Krieg wieder möglich.
Zitat:All das gipfelte in der Nacht zum Donnerstag in einem Rundumschlag. Der Premier gab drei Stunden lang den Berserker. Er erklärte das – für ihn – vernichtende Urteil des Obersten Gerichtshofs für falsch, beleidigte Oppositionsabgeordnete, beschuldigte sie der «Kapitulation», der «Unterwerfung», der «Sabotage», der «Feigheit». Viele Abgeordnete baten ihn, sich zu mässigen, seine Angriffe in Ton und Form zu ändern. Sie verwiesen auf Jo Cox. Und darauf, dass Todesdrohungen mittlerweile zum Alltag fast jedes Parlamentariers gehören. Eine Labour-Abgeordnete hat unlängst binnen kurzer Zeit 600 Todes- und Vergewaltigungsdrohungen bekommen. Eine andere hatte am Mittwoch, wenige Stunden vor Johnsons Ausfällen, bei der Polizei gemeldet, dass ihr Kind bedroht werde. EU-freundliche Abgeordnete brauchten zeitweilig Personenschutz. Johnson nannte die Bitten der Kolleginnen nach Mässigung «Humbug».
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Das Drama wird auch in Brüssel erschüttert beobachtet. Mit jedem Schritt von Johnson sinken deshalb die Chancen auf einen Deal. Der Mann ist nicht nur skrupellos, er ist gefährlich – für Grossbritannien und für die EU.
Johnson verfolgt ein zynisches Kalkül