(13.01.2019, 15:20)leopold schrieb: Das ist die CDU eben nicht mehr. Ein Laschet oder ein Günther könnten genauso gut Sozialdemokraten sein, so wie Scholz ein Unionsmann sein könnte. Selbst die CSU musste einsehen, dass sie mit ihrer rückwärtsgewandten Gesellschaftspolitik ihre Mehrheitsfähigkeit verliert. AKK ist gesellschaftspolitisch wieder ein Schritt in Richtung Nachkriegs-CDU, man wird sehen, was davon übrigbleibt, wenn sie tatsächlich Kanzlerin wird. Wahrscheinlich nicht viel.
Diese Entwicklung der Union ist m. E. nicht mehr umkehrbar, weil da die Mitglieder nicht mehr mitmachen würden. Deswegen wird rechts neben der Union eine politische Kraft bleiben. Die Frage ist, was das sein wird bzw. wieviele. Koalitionsfähig wird die AfD jedenfalls erst werden, wenn sie ihr Verhältnis zu den rechtsextremen, demokratiefeindlichen Elementen geklärt hat. Solange liegt die Zukunft bei Schwarz-Grün.
Sie erliegen schon wieder der Illusion, die man manchmal hat, wenn man in einem Zug sitzt, der langsam anfährt. Man meint dann mitunter kurz, der Bahnsteig bewege sich und nicht der Zug und mit ihm man selbst. Die Unionsparteien sind die, die sich in den letzten Jahrzehnten politisch am wenigsten verändert haben. Es sind die anderen Parteien, die neoliberalisiert wurden.
Im Ergebnis ist das aber nicht so wichtig, so wie ja auch der illusionierte Zugpassagier die Sache völlig richtig sieht, weil die Bezugssysteme Zug und Bahnsteig gleichwertig sind. Es kommt nur darauf an, auf welches davon man sich bezieht, wenn man den Vorgang beschreibt.
Wichtiger ist aber im Zusammenhang mit dem Thema dieses Threads, dass man bei Wahlen zwar so viele verschiedene Parteien zum Ankreuzen hat wie noch nie, aber gleichzeitig hat man auch so wenig eine echte Wahl wie noch nie. Weil alle etablierten Parteien das selbe vertreten. Mehr oder weniger offen und natürlich in Nuancen unterschiedlich verpackt. Weil eben alles ein Einheitsbrei geworden ist. Und dieser schlechte Zustand der herkömmlichen deutschen Politik ist der ideale Nährboden für die AfD.
Übrigens wäre die Zielgruppe der SPD durchaus noch vorhanden. Den Proletarier gibt es noch, und zwar im "besten Niedriglohnsektor Europas", den aufgebaut zu haben sich der Totengräber der SPD einst in Davos rühmte. Es gibt ihn auf dem Bau, in den Schlachthöfen, in Friseursalons, in den Logistikzentren von Amazon, bei der Paketzustellung und der Auslieferung von Pizzen, beim Spargelstechen und Erdbeerpflücken und an vielen anderen Arbeitsplätzen. (Von den genannten acht Beispielen ist die Hälfte im Dienstleistungssektor angesiedelt. Nur, weil Sie ein paar Posts weiter oben geschrieben haben, mit der Verlagerung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen in den Dienstleistungssektor habe sich das mit dem Proletariat erledigt. Ganz im Gegenteil, es wächst und vermehrt sich dort wie Unkraut und gerade dort ist es jetzt von jedem, der keine Tomaten auf den Augen hat, sehr leicht zu finden.)
Allerdings will sich die SPD nicht mehr um den Proletarier kümmern, sondern verachtet ihn inzwischen von ganzem Herzen, denn:
Zitat:Wahlen werden in der Mitte gewonnen.
(Gerhard Schröder, 2012)
Vom einstigen Anwalt des Proletariers, der SPD, hat er heute nichts mehr zu erwarten. Man muss dem modernen Proletarier allerdings den Vorwurf machen, dass er kein politisches Bewusstsein mehr hat, schon gar kein linkes, und dass er kaum politisch oder gewerkschaftlich organisiert ist. Von alleine wird sich seine Situation aber kaum verbessern und durch das Wählen der AfD schon gar nicht.