(23.01.2017, 22:00)Klartexter schrieb: Ich bin alt genug und kann mich noch gut an die Zeit vor Beginn des Internetzeitalters erinnern. Damals hatte man als Informationsquellen das Radio, den Fernseher und die Zeitung. Damals hätte die Flüchtlingskrise längst nicht so hohe Wellen geschlagen wie heute. Die Medien berichteten durchaus auch über Vorkommnisse, aber eine Vergewaltigung in Düsseldorf hat niemand in Augsburg interessiert. Damals hat man nicht sofort Verrat gerufen, nur weil eine Information nicht sofort in den Medien zu finden war. Damals hat auch kaum jemand den Behörden völliges Versagen unterstellt.
Ja, das klang in einem anderen Post von dir heute schon durch, dass dir die "Meinungshoheit" der "etablierten Presse" "früher" besser gefallen hat als die Zustände heute.
Entschuldige bite die Inflation von Anführungszeichen im vorigen Satz. Aber das ist eben der Versuch, nachträglich Worte für etwas zu finden, was "immer" selbstverständlich war. Dass eben Nachrichten nur von wenigen Medien, und zwar einerseits den, wenigstens lauf Auftrag, regierungsunabhängingen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsendern und andererseits von den privaten Großunternehmen und Medienkonzernen (jemand anders könnte so eine Tageszeitung ja auch nicht herausbringen)* kommen.
Die AfD wäre nie so hochgekommen, wenn es das Internet nicht gäbe, hattest du da sinngemäß geschrieben.
Das kann sogar sein, aber wäre das wünschenswert?
Das finde ich bedenklich, wenn man das gut findet. Denn das bedeutet andersrum, dass man es gut findet, wenn Medien über gewisse Entwicklungen nicht schreiben und bewusst Informationen unterdrücken. Und Informationsunterdrückung kann auch Meinungsunterdrückung bedeuten. Wer nicht weiß, dass in A-Stadt eine Ortsgruppe der XYZ-Partei gegründet wurde, kommt vermutlich nicht auf den Gedanken, dass es auch in seinem Wohnort B-Stadt eventuell an der Zeit wäre, eine solche Ortsgruppe zu gründen.
Und wohlgemerkt: Das gilt jetzt für jede Partei, die "neu" ist. DIe AfD ist nur das aktuelle Beispiel dafür. Das gilt aber genau so für die Piraten und für alle Parteien, die in Zukunft noch neu gegründet werden. Das ist abstrakt und generell so, unabhängig von der politischen Tendenz, die unterdrückt oder herausgestellt werden soll.
Es ist keine Ausrede, dass in den "neuen" (die gar nicht mehr so neu sind) Medien "zu viel" über die Afd und "zu wenig" über die etablieren Parteien steht.
Da steht das, was die Leute beschäftigt. Was sie nicht beschäftigt, steht da nicht. Warum sollten sie über etwas schreiben, was sie nicht interessiert? Das tun nur Journalisten, weil es ihr Job ist. Aber die Social-Media-Schreiber machen das für lau in der Feizeit, die haben keinen Chef, der ihen explizit oder implizit vorgibt, was sie schreiben sollen.
Und in diesem Moment müsste man sich halt als "etablierte Partei" überlegen, warum die AfD offenbar die Leute mehr beschäftigt als man selbst.
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* Das ist immer noch so, aber es fehlen Feinheiten. Private Fersehsender usw. Die waren aber insgesamt keine Bereicherung im Vergleich zu vorher und wurden auch nur von Großkonzernen gemacht (Bertelsmann -> RTL). Es gibt
einen halbwegs unabhängigen privaten Fersehsender, das ist Tele 5. Der Typ, dem Tele 5 gehört, muss vormittags Sendezeit an amerikanische Fundi-Christen verkaufen, damit er nachmittags sein Star-Trek-Zeugs, für das er ein Faible hat, versenden kann. Die Fundis zahlen gut, meinte er in einem Interview. Inhaltlich sei das nicht so seines. Aber er sei halt Star-Trek-Fan und dafür nehme er in Kauf, dass er die Sendezeit tagsüber an Leute verkaufe, die ihm zwar nicht besonders sympathisch sind, aber dafür flüssig. Dafür könne er dann abends auf dem Sender bringen, was er mag. Und Tele 5 ist so unabhängig wie unbedeutend in der deutschen Fernsehlandschaft. Und Politik ist auch nicht das Thema dieses Senders.