12.02.2017, 13:50
Wirklich interessante Analyse von Reinhard Haller, Psychiater, Psychotherapeut, Neurologe, Gerichtssachverständiger, Chefarzt an der Suchtklinik Stiftung Maria Ebene in Vorarlberg. Er hat auch ein Buch zum Thema Narzissmus ("Die Narzissmusfalle", 2013) verfasst:
Quelle: SZ vom 11./12.02.2017, S. 49
Zitat:Die für den Rest der Welt wirklich wichtige und psychiatrisch allein maßgebende Frage ist jene, ob Donald Trump auf die Schiene der bösartigen Form, des „malignen Narzissmus“, abfährt. Dieses von Otto Kernberg, dem weltweit bedeutendsten Psychoanalytiker, beschriebene Störungsbild besteht aus einer Kombination von egozentrischer Persönlichkeitsstruktur, antisozialem Verhalten, sadistischem Aggressionspotential und einer misstrauisch-paranoiden Grundhaltung. Der nach außen mit dem Charme des Psychopathen“ reüssierende Narzisst dieser Art quält sich mit Unterlegenheitsgefühlen, chronischer Unzufriedenheit und zwanghafter Suche nach Macht herum. Besonders gefährlich sind seine Ängste vor Angriffen auf sein fantastisches Selbstbild und seine Furcht vor noch großartigeren Personen. Kernberg konnte dieses Syndrom bei zahlreichen sexuellen Serienkillern, aber auch bei den großen Despoten der Geschichte belegen.
(…)
Ob auch Donald Trump davon betroffen ist, muss zunächst dahingestellt bleiben. Er hat es jedenfalls bisher nicht geschafft, den narzisstischen Triumph der Wahl zum mächtigsten Mann der Welt zum Wandel vom Ich-schwachen Narzissten zum souveränen Charismatiker , vom fassadenhaften Ichling zur Führungspersönlichkeit zu nutzen.
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Der Trumpismus hat uns die Erkenntnis gebracht, dass Etikettierung mit psychiatrischen Diagnosen keine wirkungsvolle [politische] Waffe mehr ist, im Gegenteil. Die beunruhigende psychiatrische Schlussfolgerung muss lauten: Donald Trump wurde nicht trotz, sondern wegen seines narzisstischen Gehabes gewählt. Wenn eine selbstdarstellerische und rücksichtslose Haltung für immer größere Teile der Gesellschaft erstrebenswert wird, dann ist zur Schau gestellter Narzissmus offensichtlich ein überzeugendes Wahlprogramm. (…) Beunruhigend sind nicht nur die Narzissten an der Macht, sondern noch viel mehr jene, die sie gewählt haben: unsere narzisstisch gewordene Gesellschaft, die dem Duft des Narziss nicht widerstehen kann.
Quelle: SZ vom 11./12.02.2017, S. 49