23.12.2018, 15:45
(23.12.2018, 13:20)Serge schrieb: Ich bin mit dem Spiegel und Pardon groß geworden, auch mit der FR und der SZ. Und mit den damals (überwiegend) regierungskritischen Magazinen Report und Monitor
Alles Publikationen, die in den 60-er, 70-er und 80-er Jahren, also in der Zeit der Regierungen Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl, die Politik und das gesellschaftliche und kulturelle Geschehen in Deutschland kritisch und insgesamt ziemlich unparteiisch begleiteten. Die gemäßigt linke, eher sozialdemokratische Positionierung dieser Pressemedien, die sich geradezu zwingend angesichts der CDU/CSU-Übermacht vor allem bei den ersten drei Regierungen zeigte, änderte sich natürlich nicht unter Brandt und Schmidt, aber kritisch wurde dennoch berichtet. Besonders Schmidt (Atomkraft, NATO-Doppelbeschluss) wurde heftig angegangen.
Auch Kohl und Schröder wurden von den Medien, auch von den oben genannten, kritisch bis sehr kritisch begleitet.
Davon kann seit der Merkelschen Regierungsära kaum mehr die Rede sein. Die Verwischung der Konturen der Parteien nahm kritischer Berichterstattung und Kommentierung regelrecht die Luft zum Atmen. Die SPD von Merkel bis auf's Skelett ausgesaugt, die CDU ob der Wahlerfolge, obwohl intern durchaus gespalten, fest hinter Merkel, die Grünen (70%-Partei der Journalistikbranche) als heimliche Regierungspartei...
Mal bis hierher. Der frühe Spiegel, die taz, Bednarz' Monitor, Alts Report und auf der anderen Seite Bild, die Welt, Report München und Löwenthals ZDF-Magazin - unparteiisch? Darf ich lachen? Das war auf beiden Seiten oft nur pure Demagogie. Das würde heute nicht mehr als ernsthafter Journalismus durchgehen.
Was hat sich seitdem geändert? Die großen gesellschaftspolitischen Schlachten und Richtungskämpfe sind seit Rot-Grün und der Annäherung von Schwarz und Grün geschlagen. Der Qualität des deutschen Journalismus hat das nicht geschadet, sie ist heute wesentlich besser als früher, da man sich nicht mehr in ideologischen Schützengräben gegenübersitzt, sondern sich eher an komplizierten Sachfragen abarbeitet.
Die große Ausnahme sind seit einigen Jahren die Themen Flüchtlinge, Migration und der aufkommende Nationalismus, die die Gesellschaft wieder spalten wie früher die Wiederbewaffnung, die Abtreibung oder die Atomkraft. Und das ist der Grund, warum Sie die Welt nicht mehr verstehen: Sie stehen plötzlich auf der anderen Seite des Grabens, zusammen mit Leuten, mit denen Sie früher nichts zu tun haben wollten. Die Medien, mit denen Sie groß geworden sind, sind ihrer Grundhaltung treu geblieben. Verändert haben vor allem Sie sich.