05.10.2017, 19:06
Kluger Kommentar von Stefan Kornelius in der SZ. Der Mann scheint in diesem Forum mitzulesen, denn er kennt offensichtlich den User Martin, da er ihn direkt anspricht:
Simple Sehnsucht
Zitat:Jede Separatisten-Bewegung folgt ihrem eigenen Antrieb: historischer Schmerz, politische Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Benachteiligung, Respektlosigkeit. Einer Abspaltungsbewegung liegt ein tiefer Zorn zugrunde, die Wut auf das herrschende System, die da oben, oder noch vager: die Umstände. Man will es besser, einfacher, überschaubarer. Man will es für sich selbst haben.
Separatismus ist deshalb der Halbbruder von Nationalismus und Isolationismus. Alle drei Spielarten der Igel-Politik eint das tiefe Bedürfnis nach Eigenständigkeit und Autarkie. Die Loslösung von der übrigen Welt, die Einkehr zu sich selbst, scheint etwas Tröstliches zu bieten: Sicherheit, Überschaubarkeit, Selbstbestimmung.
Es wundert nicht, dass Separatismus, Isolationismus und auch Nationalismus Konjunktur feiern in einer Zeit, die von vielen Menschen als Überforderung wahrgenommen wird. Von Erbil bis Ingolstadt verspricht die politische Führung Klarheit und Wahrheit. "America first" gibt es in der ganzen Welt.
(...)
Dann aber hätte er sie auch mit der harten Wahrheit konfrontiert: Dass es eben kein gutes Leben im Kleinen gibt, solange das Große und Ganze nicht stimmt; dass Verstecken nicht möglich ist in einer Welt, in der jedes Gesicht von einem Computer erkannt werden kann. Vielleicht wäre man mit diesem Ton ins Gespräch gekommen und hätte Verständnis füreinander entwickelt, anstatt neue Erregung zu züchten. Felipe mag es nicht verstanden haben, aber im Kern besteht bei Katalanen, Briten und all den anderen Sezessionisten noch immer die Sehnsucht nach dem gütigen König. Wie im Märchen.
Simple Sehnsucht