(07.10.2017, 10:32)Sophie schrieb: Danke für Deine Ausführungen. Ich sehe es ja an sich ähnlich.
Allerdings ist da schon mehr als die Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Es gibt da ja einen relativ neuen Strafrechtsparagraphen:
§ 201 a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Bewehrt mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Nach Abs. 5 kann der Bildträger mit der Aufnahme eingezogen werden.
Klar Abs. 5 ermächtigt wohl nicht das Opfer. Aber wenn der Eingriff in die Opferrechte noch gegenwärtig ist und nur durch das Ansichnehmen der Speicherkarte eine Veröffentlichung zweifelsfrei verhindert werden kann?
Ich will nicht behaupten, dass es so ist. Mich würde nur eben interessieren WIE die Rechtslage ist. Es fällt mir halt auf, dass der Richter sich die Zeugin zwar heftig zur Brust nimmt, weil sie nicht vor Gericht erscheinen wollte, aber keinen Ton dazu sagt, dass sie den Chip an sich genommen hat.
Öffentliche Berichterstattung über Verbrechen sollen ja regelmäßig den Bürger auch darüber informieren, was er darf und was nicht. Also darf ich jetzt dem Nachbarn, der um den Sichtschutz herum Aufnahmen von mir macht, wie ich mich oben ohne auf meinem Balkon sonne, die Speicherkarte (das Smartphone) abnehmen oder nicht? Ich bin alleine, wenn ich ihn festhalte kann ich nicht die Polizei rufen, wenn ich die Polizei rufe hat er die Speicherkarte ausgetauscht, gelöscht, das Smartphone in den Müll geworfen...
Der § mag neu sein, und er war mir bekannt, aber das ändert nichts an der Sachlage. Die bedrohten Rechtsgüter sind zu geringwertig, um ihr Sonderrechte zu erlauben.
Sie braucht die Polizei, damit die etwas unternimmt. Sie kann sich in der Situation nicht selbst irgendwelche "Not"-Rechte herausnehmen. Das darf man nur, um sich eines akuten Notstands oder Angriffs zu erwehren, also quasi, wenn man sonst in Lebensgefahr wäre oder sich einer solchen erwehren muss. Sobald die Bedrohung oder Gefahr vorbei ist, darf man es nicht mehr. Man darf z.B. einen Angreifer, der schon von einem abgelassen und die Flucht ergriffen hat, keinesfalls von hinten erschießen. Im Moment des Angriffs und von vorne, nicht in den Rücken, wäre es aber unter Umständen straffrei möglich gewesen. Es dreht sich da i.d.R. um wenige Sekunden, die den juristischen Unterschied darstellen.
Die Gefahr war ja schon abgewendet, das Vorhaben vereitelt, als die Frau die Kamera auf dem Stuhl unter den Klamotten entdeckt hat. Da hat sie abgebrochen, wofür er sie bezahlt hatte, und sein Vorhaben war somit gescheitert. Für ihn war der Film, den er eben noch drehen wollte, jetzt total versaut, denn so hatte er sich die Handlung und vor allem das Ende des Films nicht vorgestellt. Auf der anderen Seite war in dem Moment natürlich auch Schluss mit Sonderrechten für sie, spätestens jetzt.
Man darf sich "Not"-Rechte u.U. herausnehmen, aber nur dann, wenn ganz grundsätzliche Rechtsgüter ganz akut in Frage stehen und andere Abhilfe (z.B. durch die Behörden) nicht möglich ist oder zu spät käme. Das Recht auf Eigentum z.B. kann auch so ein Rechtsgut sein. Wenn mir einer einen Halbkilobarren Gold klaut, und ich erwische ihn auf frischer Tat, dann darf ich ihm den Barren gewaltsam entreißen. Und wenn er sich dabei die Nase bricht, ist er selber schuld. Eigentlich. Aber da fängt's schon an, mit der gebrochenen Nase wegen einem Goldbarren. Du musst nur an den falschen Richter geraten, dann bist du in der Verhandlung auf hoher See und darfst dem Dieb am Ende noch Schmerzensgeld zahlen. Und was du tust, muss immer verhältnismäßig sein, sonst hast du von vornherein verloren. Er darf sich nicht die Nase brechen, weil er mir eine Tüte Gummibärchen geklaut hat. Das ist nämlich dann der berüchtigte "Exzess". Irgendwo zwischen der Tüte Gummibärchen und dem halben Kilo Gold liegt die Grenze, die es dir erlaubt, Gewalt notfalls straffrei einzusetzen. Übrigens hast du zwei Verhandlungen zu überstehen, nicht nur eine. Eine strafrechtliche, eventuell, weil du mit der Notwehr übertrieben hast. Und dann noch eine zivilrechtliche, wo es um die Kosten der Behandlung der gebrochenen Nase geht (die Krankenkasse sucht jemanden, der das Krankenhaus an ihrer Stelle bezahlen muss) und eventuell um das Schmerzensgeld, das du an das bemitlleidenswerte Opfer zu bezahlen hast.
Genauer kann man das nicht sagen. Letztlich kommt es auf den Einzelfall und auf den Richter an.