(23.01.2017, 10:32)Klartexter schrieb: Doch, _solon_, in den 50er und 60er Jahren hat man Neuen diese Zeit noch zugestanden. Aber heute ist es niemand mehr möglich, auch nur halbwegs mittelfristige Politik zu gestalten, weil alles sofort und gleich Ergebnisse zeigen muss. Regierungserklärungen sind noch nicht einmal fertig verlesen, da prasselt schon die Kritik darüber herein. Die Menschen haben offenbar total vergessen, dass alles auf der Welt seine Zeit braucht. Selbst nach dem Sex braucht es neun Monate, bis ein Kind zur Welt kommt. Und dann braucht es nochmals viele Jahre, bis es zum verantwortungsbewussten Menschen gereift ist.
Was nun Herrn Trump betrifft, so tönt der seine Vorstellungen von Politik ja schon mehr als 100 Tage, da braucht es die Schonzeit nicht mehr. Seine Amtszeit beginnt auf jeden Fall schon mit Einträgen in die Geschichtsbücher. Ich hätte mich wenig gewundert, wenn es 2009 bei der Amtseinführung von Barack Obama solche Massenproteste gegeben hätte. Ein schwarzer Präsident im rassistischen Amerika - aber ich kann mich nicht erinnern, dass es solche Massendemonstrationen gegen ihn gab. Insofern kann Herr Trump mit Fug und Recht behaupten, dass er die Massen mobilisiere.
Da stecken mehrere Ungereimtheiten drin.
Die erste ist, dass mittel- und langfristige Politik sehr wohl gemacht wird. Nur werden die groben Richtlinien zunehmend nicht mehr im Bundestag, sondern zentral für die EU in Brüssel entschieden. Nationale Gesetzgebung verkommt so zum Abfassen von Ausführungsbestimmungen. Allerdings nicht nur in Brüssel. Auch Schröder hat mit seiner Agenda 2010 mittel- und sogar langfristige Politik gemacht, was die Schleifung der Sozialen Marktwirtschaft betrifft.
Und mit Schröder sind wir beim nächsten Punkt. Schröder hat einen Wahlkampf geführt, in dem vom Gegenteil der Angenda 2010 die Rede war, nämlich davon, den Sozialstaat zu stärken. Deshalb kam Rot-Grün damals überhaupt an die Macht. Und dann kam es ganz anders. Die Freude der Linken bei Schröders Amtsantritt war also verfrüht. So wie im übrigens auch die Freude über Obamas Amtsantritt verfrüht war. Ich nehme ihm tatsächlich immer noch ab, dass er Guantanamo schließen wollte und eher Kriege beenden statt welche zu beginnen. Nur war die Reaität des Amts dann nicht der Wahlkampf und auch Obamacare konnte er nur mit Ach und Krach und von vornherein kastriert durchdrücken.
Dazu kommt, dass in den Vereinigten Staaten die Einzelstaaten viel mehr Befugnisse haben und viel selbständiger sind als deutsche Bundesländer. Es gibt einiges, sogar ziemlich vieles, was in den USA auch der "mächtigste Mann der Welt" nicht ändern kann, einfach weil es nicht in die Befugnis des Bundes fällt.
Und deshalb glaube ich, dass es durchaus sinnvoll ist, erst einmal abzuwarten. Um es ausnahmsweise mit Wolfgang Schäuble zu sagen,
"you never eat as hot as it's cooked".