17.04.2017, 12:25
(17.04.2017, 12:00)Klartexter schrieb:Doch, leopold, die EU hatte und hat ein Türkei-Problem. Überlegen Sie mal, wie lange sich die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei schon hinziehen, und welche Länder lange nach Beginn dieser Beitrittsverhandlungen inzwischen schon Vollmitglied der EU geworden sind. Es ist auch eine Tatsache, dass sich CDU und CSU stets gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei ausgesprochen haben und statt dessen eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei wollen.
Natürlich ist die Türkei auch Handelspartner der EU, allerdings werden sich die Bedingungen vermutlich nun ändern. Auch Investoren weren es sich gründlich überlegen, ob sie in der Türkei Projekte realisieren wollen. Die Tourismusbranche hat wohl mit der Entscheidung vom Sonntag den größten Schaden, wer will noch in diesem Land Urlaub machen und mit seinem Geld eine Diktatur unterstützen? Hier hat Herr Erdogan im Wahlkampf zuviel Porzellan zerschlagen, die Rechnung wird er nun präsentiert bekommen.
Wenn Sie das als "Problem" bezeichnen wollen, von mir aus. Ich sah diesen Prozess nicht als Problem, sondern als Versuch, die Türkei an den Westen zu binden und die freiheitlichen Kräfte in diesem Land zu unterstützen. Das ist leider nur teilweise gelungen und jetzt aber an der Person Erdogan und seinem Machtwillen vorerst gescheitert. Dennoch wäre es ein Riesenfehler, die Türkei und die dort lebenden Menschen abzuschreiben und zu glauben, man müsse sich um dieses Land nun nicht mehr kümmern (weil man es "los" ist). Auch ein Erdogan wird nicht ewig regieren können. Langfristig muss alles getan werden, um die Türkei wieder an die EU heranzuführen, wenn auch nicht unbedingt als Vollmitglied.
Es hängt nun natürlich von Erdogan ab, ob er (auch rhetorisch) so weitermachen will, wie in den letzten Monaten. Ich denke aber, dass er schnell erkennen wird (bzw. schon längst weiß), dass er für die wirtschaftliche Entwicklung in seinem Land die EU braucht. Auch kann er nicht dauerhaft gegen die Hälfte seines Volkes regieren, wenn er keinen Bürgerkrieg riskieren will.