12.03.2017, 23:00
(12.03.2017, 17:44)Maylin schrieb: Moin moin Athineos, auch Dir wünsche ich einen schönen und entspannten Sonntag!
Meinungsverschiedenheiten müssen eine freundschaftliche Beziehung doch nicht belasten - oder? Im Gegenteil, darin liegt oft die Würze, damit keine Langeweile aufkommt.
Auch Leopold hat mir heute schon diesen Fanatismus zum türkischen Präsidenten vorgehalten. Das ist aber nichts Außergewöhnliches. Dieser Wind trifft alle, die die türkische Politik mit all ihren Vertretern verteidigen. Von daher gesehen, nichts Neues für mich.
Athineos, jetzt mal ganz ehrlich. Du sagst, dass die Türkei "früher", damit meinst Du sicher vor 2002, Berührungspunkte zu Europa hatte. Tatsächlich? Wo waren denn die? Ich kenne nur die mehr oder weniger mitleidigen Äußerungen über den "kranken Mann vom Bosporus", man betrachtete das gesamte Land lediglich mit den gleichen Augen, wie den türkischen Müllmann, den schwarzen Mann unter Tage, den nach Knoblauch stinkenden Dönermann oder den verdreckten Stahlarbeiter. Oder sag mir, wann wurde die Türkei vor 2002 als gleichwertiger Partner angesehen? Sie saßen doch nur am Katzentisch und wurden an der langen Schnur ruhig gehalten. Der Beitritt zu Europa wurde ihnen doch nur deshalb in Aussicht gestellt, weil jeder wusste, dass die Türkei eh nie eine Chance dazu hat, die Forderungen dazu jemals zu erfüllen. Das Land fiel von einer Krise in die nächste, es ertrank regelrecht in seiner Inflation und Europa belächelte es nur, was will man auch schon mit den Türken .....
Dann kam 2002 einer, der das Land umdrehte. Und das Volk zog mit. Siehe da, mit dem ganzen Land ging es wirtschaftlich aufwärts, der Türke musste sich plötzlich nicht mehr verstecken. Er wurde selbstbewusst.
Ende 2004 wurde der Türkei von Europa und auch Deutschland bestätigt, dass sie alle demokratischen Auflagen erfüllen, um Mitglied in der EU zu werden. Verheugen sagte es doch bei Anne Will ganz klar und deutlich, Europa war zwischen 2002 und 2005 der reformwilligste und reformfreudigste Beitrittskandidat. Doch was passierte dann? Verheugens Überzeugung ist die, dass sich seit 2005 die Politik in den europäischen Ländern so veränderte, dass die Botschaft an die Türkei hieß: Ihr könnt machen was ihr wollt, wir wollen euch eh nicht in Europa haben. Und die 40 Jahre-Hinhaltepolitik von Europa bekam damit einen Riss. Es war also nicht die Türkei, die sich veränderte, sondern Europa veränderte sich.
Und wenn Du Erdogan als Schaumschläger bezeichnest, dann sage ich, er schlägt nur den Schaum, der von Europa gerade ausgekotzt wird. Jede verbale Attacke, die von Erdogan kommt, ist eine Antwort auf eine Attacke aus Europa. Ist Dir das noch nie aufgefallen? Du kannst es leicht zurück verfolgen, Google vergisst ja nichts.
Ich möchte mich nicht mit Kieselsteinen im Mund ans Meer stellen und gegen die Wogen anbrüllen! Ich will Dir nur ins Gedächtnis rufen, dass es diese türkische Republik nicht erst seit 2002 gibt, auch nicht erst seit 1980, sondern seit dem Ende des Osmanischen Reiches! Und allein in dieser Periode war die Türkei niemals der Prügelknabe der Geschichte, nur dann, wenn es gewissen Kreisen in der Türkei beliebte, sich so darzustellen, um ihr nationalistisches Süppchen zu kochen!