Merz bei Anne Will

[Martin]

Martin, es müssen weit mehr Menschen hart arbeiten, als Sie sich vorstellen. Sie schreiben von mangelndem Personal z.B. bei der Pflege oder den Paketboten. Bei letzteren ist aber auch der Verbraucher nicht ganz unschuldig, da heute sehr viel im Internet gekauft wird, und sich das Paketaufkommen vervielfacht hat. Oder nehmen Sie mal Bus- und Straßenbahnfahrer - ein nervenaufreibender Job. Dann wären da auch die Bauarbeiter zu nennen, ich habe selbst vor über 34 Jahren mal ein gutes Jahr bei der Sanierung des Bauerntanzes mitgearbeitet, unter anderem auch mit dem Presslufthammer. Von meinem Job will ich gar nicht erst reden, bei jedem Wind und Wetter zu arbeiten ist sicher nicht jedermanns Sache. In den nächsten vier Wochen werde ich alleine 330 Stunden im Verkauf zu tun haben, Ware verpacken und herrichten sind da noch gar nicht enthalten. Und ich bin nicht der einzige Selbstständige, dem es so geht. Auch die Kellner und die Beschäftigten in der Gastronomie haben kein leichtes arbeiten, und die Liste lässt sich durchaus noch fortsetzen.

Na ja Klartexter, ob das Paket jetzt 4,90 Euro oder 6,90 Euro kostet ist für den Online-Shopper mehrheitlich wohl nicht kaufentscheidend. Das Geld bleibt - wie bei der Pflege - ganz woanders hängen, wenn man sich z. B. ansieht, dass Hermes mit Formel 1 Stars wirbt. Genauso bei der Pflege: Durch die private Organisation verbleibt der Gewinn größtenteils bei den Trägern. In den Talkshows wird dann darüber diskutiert, ob eine bessere Bezahlung von Pflegekräften die Pflegekosten erhöht. Über die Gewinne der Träger müsste man diskutieren.

Ja, natürlich. Bauarbeiter ist noch ein anstrengender Job. Es lassen sich bestimmt weitere 100 Berufe finden, die auch heute noch anstrengend sind. Aber das Gros der heutigen Berufe ist m. M. nicht mehr "hart". Die meisten Leute heute arbeiten im Büro oder in der Industrie, im Mittelstand und nur ein Teil davon im Handwerk. Und davon wieder nur ein Teil in wirklich anstrengenden Berufen. Schreiner z.B. stelle ich mir als streckenweise schon anstrengend vor, aber nicht hart. 

Darum geht es mir eigentlich. Um die Definition des Begriffes "hart", im Speziellen "hart arbeiten". Ich hatte mal bei einem unserer Nordsee-Urlaube vor rd. 25 Jahren einen Steiger aus dem Ruhrpott kennengelernt. Der war mit Ende 40 "fertig", hatte Staublunge und diverse andere körperliche Beschwerden. Das war einer, der noch mit dem Presslufthammer unter Tage die Kohle gefördert hat. Auch wenn der Beruf des Teehändlers sicherlich anstrengend ist, so können wir doch hoffentlich darin übereinstimmen, dass berufsbedingte, chronische und schwerwiegende Erkrankungen, die zur Frühverrentung führen, bei diesem Beruf eher die Ausnahme sind. 

Martin