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RE: Grün wirkt - leopold - 18.06.2019

(18.06.2019, 19:37)PuK schrieb:  Dann hätte er das im Wahlkampf ganz klar sagen und völlig anders plakatieren lassen müssen.

Was er stattdessen gemacht hat, war das Volk und große Teile der eigenen Partei hinters Licht zu führen.

Was ich nicht ganz verstehe, ist dass er sich nicht einfach endlich aus der deutschen Politik raushält, sich an seiner mehr als üppigen Altersversorgung erfreut und sich voll und ganz seinem Gazprom-Job widmet. Eigentlich hätte er damit für sein Alter damit genug zu tun.

Stattdessen verfasst er seltsame Erklärungen, die er dann von seinen fast ebenso dubiosen ehemaligen Parteiführern der SPD unterzeichnen lässt.

Und nein, natürlich färbt er sich nicht die Haare.

Der lügt doch schon, bevor er überhaupt was gesagt hat.

Ich glaube nicht, dass Schröder vor der Wahl vorhatte, diese großen Reformen durchzuführen. Der wollte sich ebenso durchwurschteln wie sein Vorgänger, so jedenfalls ist meine Erinnerung. Dann stieg die AL aber überraschend schnell und hoch an - und er musste auf Druck der Presse handeln. Seinem Naturell entsprechend hat er dann natürlich das ganz große Rad gedreht, mit dem auch nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidenden Peter Hartz hatte er den passenden Mann an seiner Seite. Heute stellt er das natürlich anders dar.

Der Fehler an den Reformen ist, dass mit einem Zeitversatz von zwei, drei Jahren der Mindestlohn hätte eingeführt und Fehlsteuerungen wie bei den Werkverträgen oder in der Zeitarbeit hätten korrigiert werden müssen. Da waren aber schon die Union und die FDP am Ruder und die haben das natürlich nicht getan.


RE: Grün wirkt - PuK - 18.06.2019

(18.06.2019, 19:49)leopold schrieb:  Ich glaube nicht, dass Schröder vor der Wahl vorhatte, diese großen Reformen durchzuführen. Der wollte sich ebenso durchwurschteln wie sein Vorgänger, so jedenfalls ist meine Erinnerung. Dann stieg die AL aber überraschend schnell und hoch an - und er musste auf Druck der Presse handeln. Seinem Naturell entsprechend hat er dann natürlich das ganz große Rad gedreht, mit dem auch nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidenden Peter Hartz hatte er den passenden Mann an seiner Seite. Heute stellt er das natürlich anders dar.

Der Fehler an den Reformen ist, dass mit einem Zeitversatz von zwei, drei Jahren der Mindestlohn hätte eingeführt und Fehlsteuerungen wie bei den Werkverträgen oder in der Zeitarbeit hätten korrigiert werden müssen. Da waren aber schon die Union und die FDP am Ruder und die haben das natürlich nicht getan.

Das klingt gar nicht mal so abwegig. Ich glaube nämlich auch, dass er recht ratlos war, als er plötzlich Kanzler war. Und dann musste nur der Richtige oder die Richtigen kommen, um ihm einzusagen.

Auch mit den Print- und sonstigen Medien haben Sie recht. Der SPIEGEL schrieb die Agenda 2010 geradezu herbai, und die Springer-Medien (Bild, BamS und Glotze) taten ihr übriges dazu.

Und dann natürlich noch die Bertelsmann-Stiftung, die ihm praktisch unterschriftsreife Gesetze frei Kanzleramt geliefert hat.

Ja, ich glaube auch, dass Schröder vom Ergebnis der Wahl überrascht war und kein Konzept hatte. Und dieses Vakuum haben dann Institutionen gefüllt, die zwar alles andere als demokratisch gewählt waren, aber die eines in der Schublade hatten.


RE: Grün wirkt - Sophie - 18.06.2019

(18.06.2019, 19:12)leopold schrieb:  Was Sie hier erzählen, grenzt an Geschichtsklitterung. Schröder war gezwungen, die unter Kohl liegengebliebenen Arbeitsmarktreformen schnell durchzuführen, da die Zahl der Arbeitslosen über 5 Millionen gestiegen war und die Springerpresse massiv Druck machte.
Der von Schröder beauftragte Peter Hartz stellte damals ein ganzes Paket von Reformen vor, das vor allem den Zweck hatte, die hohe Arbeitslosigkeit zu senken, die zuvor jahrzehntelang in Stufen nach jeder Krise angestiegen war. Aus heutiger Sicht ist das gelungen, den die AL sinkt seit den Schröder'schen Reformen kontinuierlich. Deutschland überstand  mit Abstand am besten die Finanzkrise 2008.
Daran, dass die Reformen deutlich unsozialer ausgefallen sind, als von Hartz ursprünglich geplant, tragen v.a. Union und FDP Verantwortung, die damals im Bundesrat die Mehrheit hatten und entsprechende Verschärfungen für die Arbeitslosen verlangt haben. Merkel wollte später als Kanzlerin (Stichwort Leipziger Parteitag) ursprünglich noch ganz andere Reformen (z. B. Kopfprämie in der KV) durchsetzen, hat sich dann aber nicht getraut.
Die Einführung des Mindestlohns wurde allerdings sehr lange von der Union mit  fadenscheinigen Argumenten verhindert, bis Nahles diesen dann doch noch durchsetzen konnte.

Da klittert gar nichts. Sie beschreiben ja exakt wie es lief. Schröder ließ sich von Arbeitgeberseite mehr oder weniger einflüstern, wie der Laden neu zu ordnen wäre. Und offensichtlich verstehen auch Sie nicht, dass genau das der Anfang vom Niedergang der SPD war. Denn dafür hat man sie nicht gewählt. Sie können ihn ja bejubeln für all die großartigen Leistungen die er über D gebracht hat - nur ist er dazu in der falschen Partei gewesen. Und wie PuK schreibt und ich auch schon anmerkte: Er hat seine Wählerschaft getäuscht, denn damit hat diese nicht gerechnet hat damit nicht rechnen müssen.

Ja, wer hat uns verraten...

Schön, dass Sie wenigstens noch ein paar Fehler finden, die der joviale Gerd gemacht hat.


RE: Grün wirkt - Klartexter - 18.06.2019

(18.06.2019, 21:28)Sophie schrieb:  Da klittert gar nichts. Sie beschreiben ja exakt wie es lief. Schröder ließ sich von Arbeitgeberseite mehr oder weniger einflüstern, wie der Laden neu zu ordnen wäre. Und offensichtlich verstehen auch Sie nicht, dass genau das der Anfang vom Niedergang der SPD war. Denn dafür hat man sie nicht gewählt. Sie können ihn ja bejubeln für all die großartigen Leistungen die er über D gebracht hat - nur ist er dazu in der falschen Partei gewesen. Und wie PuK schreibt und ich auch schon anmerkte: Er hat seine Wählerschaft getäuscht, denn damit hat diese nicht gerechnet hat damit nicht rechnen müssen.

Ja, wer hat uns verraten...

Schön, dass Sie wenigstens noch ein paar Fehler finden, die der joviale Gerd gemacht hat.

Nein Sophie, absoluter Widerspruch! Bei der Jahrtausendwende wurde immer deutlicher, wie viele Firmen ihre Produktionsstätten nach Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien verlegten. Grund hierfür waren unter anderem die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland und das starre Kündigungsrecht. Im internationalen Wettbewerb war Deutschland damit deutlich im Nachteil, andere EU-Staaten wie die Niederlande waren hier deutlich besser und flexibler aufgestellt. Im Internet findest Du zum Beispiel einiges zu dem Thema, und bezüglich der Standortverlagerungen ist dieses PDF durchaus aufschlussreich: Wirkungen von Standortverlagerung und Ausgliederung auf die Arbeitsbedingungen . leopold liegt wirklich nicht daneben, er schildert die damalige Situation durchaus zutreffend.

Hätte Schröder darauf nicht reagiert, dann wären noch mehr Arbeitsplätze in Deutschland verloren gegangen. Es ist auch unsiinig, Schröder hier Wählertäuschung vorwerfen zu wollen. Denn zur Wahl 2002 hat er im Wahlwerbespot der SPD genau das angekündigt, wie Du hier selber hören und sehen kannst:

[Video: https://www.youtube.com/watch?v=oakJvfwQdfM ]


RE: Grün wirkt - Martin - 18.06.2019

(18.06.2019, 22:02)Klartexter schrieb:  
Nein Sophie, absoluter Widerspruch! Bei der Jahrtausendwende wurde immer deutlicher, wie viele Firmen ihre Produktionsstätten nach Polen, Tschechien, Slowakei und Rumänien verlegten. Grund hierfür waren unter anderem die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland und das starre Kündigungsrecht. Im internationalen Wettbewerb war Deutschland damit deutlich im Nachteil, andere EU-Staaten wie die Niederlande waren hier deutlich besser und flexibler aufgestellt. Im Internet findest Du zum Beispiel einiges zu dem Thema, und bezüglich der Standortverlagerungen ist dieses PDF durchaus aufschlussreich: Wirkungen von Standortverlagerung und Ausgliederung auf die Arbeitsbedingungen . leopold liegt wirklich nicht daneben, er schildert die damalige Situation durchaus zutreffend.

Äh, nein. Schuld war nicht das funktionierende soziale Netz in Deutschland, sondern, wie Sie richtig schreiben, die offenen Grenzen, die dazu dienen, einen ruinösen Wettbewerb der Steuer-, Sozial- und Einkommensysteme anzuheizen. In so einem Szenario verliert der mit den höchsten Sozialstandards.

Martin


RE: Grün wirkt - leopold - 18.06.2019

(18.06.2019, 20:22)PuK schrieb:  Das klingt gar nicht mal so abwegig. Ich glaube nämlich auch, dass er recht ratlos war, als er plötzlich Kanzler war. Und dann musste nur der Richtige oder die Richtigen kommen, um ihm einzusagen.

Auch mit den Print- und sonstigen Medien haben Sie recht. Der SPIEGEL schrieb die Agenda 2010 geradezu herbai, und die Springer-Medien (Bild, BamS und Glotze) taten ihr übriges dazu.

Und dann natürlich noch die Bertelsmann-Stiftung, die ihm praktisch unterschriftsreife Gesetze frei Kanzleramt geliefert hat.

Ja, ich glaube auch, dass Schröder vom Ergebnis der Wahl überrascht war und kein Konzept hatte. Und dieses Vakuum haben dann Institutionen gefüllt, die zwar alles andere als demokratisch gewählt waren, aber die eines in der Schublade hatten.

Sie sollten sich mal etwas mehr mit der Historie von Schröders Kanzlerschaft beschäftigen. In seiner ersten Legislatur als Kanzler wusste er sehr wohl, was er wollte und arbeitete zusammen mit den Grünen einige wichtige Reformvorhaben wie die Steuerreform, das modernisierte Staatsbürgerschaftsrecht und die Energiewende ab. In der zweiten Legislatur war das anders, da wollte er nur noch die Früchte ernten. Das klappte aber nicht und so entstand die Agenda 2010 - mehr ein Befreiungsschlag als ein geplantes Projekt. Die Früchte erntete dann die Union, bis heute.


RE: Grün wirkt - leopold - 18.06.2019

(18.06.2019, 22:18)Martin schrieb:  Äh, nein. Schuld war nicht das funktionierende soziale Netz in Deutschland, sondern, wie Sie richtig schreiben, die offenen Grenzen, die dazu dienen, einen ruinösen Wettbewerb der Steuer-, Sozial- und Einkommensysteme anzuheizen. In so einem Szenario verliert der mit den höchsten Sozialstandards.

Martin

Tja, den eisernen Vorhang hat aber nicht Deutschland geöffnet, sondern das ist eben durch den Zusammenbruch der UDSSR passiert. Und Deutschland musste darauf reagieren. Auch die Globalisierung hat nicht Deutschland erfunden, sondern die hat sich eben durch politische Umbrüche und technische Innovationen in den letzten Jahrzehnten maximal beschleunigt. Die Antwort der europäischen Länder darauf ist die EU. Aber das werden Sie nie verstehen.


RE: Grün wirkt - Martin - 18.06.2019

(18.06.2019, 22:48)leopold schrieb:  Tja, den eisernen Vorhang hat aber nicht Deutschland geöffnet, sondern das ist eben durch den Zusammenbruch der UDSSR passiert. Und Deutschland musste darauf reagieren. Auch die Globalisierung hat nicht Deutschland erfunden, sondern die hat sich eben durch politische Umbrüche und technische Innovationen in den letzten Jahrzehnten maximal beschleunigt. Die Antwort der europäischen Länder darauf ist die EU. Aber das werden Sie nie verstehen.

Wo der Frosch die Locken hat, zeigt gerade Präsident Trump der Welt. Er beweist ständig, dass die Globalisierung kein Naturereignis ist, sondern etwas, wovor man sich wirksam schützen kann. Vorausgesetzt, der politische Wille ist vorhanden. Die EU ist bereits tot. Aber das werden Sie nie verstehen.

Martin


RE: Grün wirkt - PuK - 19.06.2019

(18.06.2019, 22:18)Martin schrieb:  Äh, nein. Schuld war nicht das funktionierende soziale Netz in Deutschland, sondern, wie Sie richtig schreiben, die offenen Grenzen, die dazu dienen, einen ruinösen Wettbewerb der Steuer-, Sozial- und Einkommensysteme anzuheizen. In so einem Szenario verliert der mit den höchsten Sozialstandards.

Klartexter bringt ja nicht ohne Grund ein PDF der Hans-Böckler-Stiftung.

Zitat:Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Quelle: Wikipedia 

Es gibt spätestens seit dem "Bündnis für Arbeit", in dem sich vordergründig Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbündeten und in Wirklichkeit sich die Gewerkschaften von den Arbeitgebern unterbuttern ließen, keinen Grund mehr, Mitglied in einer deutschen Gewerkschaft zu sein oder zu werden.

Auch die Gewerkschaften haben nichts verstanden, immer noch nicht. Symptomatisch dafür sind u.a. die deutschen Plakate der IG Metall zur jüngsten EU-Parlamentswahl, verglichen mit denen des Europäischen Gewerkschaftsbundes:

Deutsche Gewerkschaften und die Europawahl – sag mir, wie Du wirbst, und ich sage Dir, wie Du tickst 

Zitat:Die Plakate, mit denen die IG Metall ihre Mitglieder zur Stimmabgabe an diesem Sonntag motivieren will, zeigen in erstaunlicher Schlichtheit, wie eine einst kämpferische Gewerkschaft ihren Frieden mit den Arbeitgebern gemacht hat. Diese Plakate könnten genauso gut von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kommen.

(Auch das ist übrigens so bedrückend: Die Umwertung altehrwürdiger Begriffe, die einmal für etwas ganz anderes standen, "soziale Marktwirtschaft", "Gewerkschaften" usw., in ihr Gegenteil. Und genau das hat mit Schröder seinen Anfang genommen und wurde bis heute nicht korrigiert. Und deshalb werde ich den Teufel tun und leopolds Ratschlag befolgen, mich mit Schröders Kanzlerschaft noch genauer zu beschäftigen. Das war die schwärzeste Ära der deutschen Geschichte seit dem dritten Reich, in der so ziemlich alle Errungenschaften, die bis dahin erreicht worden waren, über den Haufen geworfen wurden. Da war alles dabei, inklusive einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Ausgerechnet angefangen von einer Regierung, an der die ach so friedliebenden Grünen beteiligt waren. Nein, noch tiefer möchte ich mich in diese Kloake nicht versenken. Das ist alles so widerlich. Ich müsste kotzen, bis das Essen von vorgestern wieder zum Vorschein käme.)


RE: Grün wirkt - Sophie - 19.06.2019

(18.06.2019, 22:40)leopold schrieb:  Sie sollten sich mal etwas mehr mit der Historie von Schröders Kanzlerschaft beschäftigen. In seiner ersten Legislatur als Kanzler wusste er sehr wohl, was er wollte und arbeitete zusammen mit den Grünen einige wichtige Reformvorhaben wie die Steuerreform, das modernisierte Staatsbürgerschaftsrecht und die Energiewende ab. In der zweiten Legislatur war das anders, da wollte er nur noch die Früchte ernten. Das klappte aber nicht und so entstand die Agenda 2010 - mehr ein Befreiungsschlag als ein geplantes Projekt. Die Früchte erntete dann die Union, bis heute.

Apropos Geschichtsklitterung:

Sie vergaßen zu erwähnen, dass die letzten Jahre der Kohlregierung auch und nicht zuletzt ursächlich so bleiern und reformunwillig waren, weil die SPD im Bundesrat eine Mehrheit hatte und Lafontaine es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles zu blockieren, um genau das zu erreichen: Die Bundesregierung als handlungsunfähig darzustellen bzw. sie eben dazu zu machen.